Was braucht man, um Pass und Personalausweis zu verlängern? Richtig: die alten Ausweise und ein frisches Passfoto. Was tut man, wenn man am Vorabend des Termins am Bezirksamt draufkommt, dass man besagtes Foto noch gar nicht machen hat lassen? Richtig: Entweder man macht es selbst und druckt es auf Fotopapier oder eilt – in Ermangelung eines passenden Druckers – zum nächstgelegenen Fotoautomaten.

In meinem Fall war dies die Maschine mit Kennung YG71 im Unterführungsgeschoß des Wiener Westbahnhofs. Sie gehört dem Anbieter Prontophot und steht in baugleicher Ausführung auch an diversen anderen Standorten in der Stadt. Man wirbt mit Fotos, die dem Icao-Standard entsprechen, zertifiziert von der österreichischen Fotografeninnung. Hauptsächlich genutzt werden sie dieser Tage, so scheint es mir, entweder von Jugendlichen für Spaßaufnahmen oder Menschen aller Altersgruppen als eine Art Telefonierkabine.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Wer braucht schon Wechselgeld?

Aufgrund einer leisen Vorahnung, dass ich nicht mit Karte zahlen können würde (wie es mittlerweile bei fast jedem Snackautomaten möglich ist), legte ich einen Zwischenstopp beim Bankomaten ein, um zehn Euro abzuheben. Doch das war der Vorbereitung nicht genug, lehrten mich diverse Hinweisaufkleber nach dem Eintritt in die kleine, hell ausgeleuchtete Kabine.

Passbilder kosten sechs Euro. Wechselgeld gibt es nicht. Wer die Dienste des Automaten in Anspruch nehmen möchte, muss in Münzen und Fünf-Euro-Scheinen bezahlen – oder kann sich sprichwörtlich brausen gehen. Erinnerungen an die Telefon-Münzautomaten, über die ich meine Eltern zwecks Abholung von der Bushaltestelle nach dem Schulbesuch kontaktierte, wurden wach. Diese beherrschten allerdings dereinst um die Jahrtausendwende bereits die Kunst der Restgeldauszahlung.

In Ermangelung von Alternativen wurde der "U3-Supermarkt" gegenüber dem Automaten zu meiner Rettung. Um vier Euro ärmer und einen Snack reicher begab ich mich also zurück hinter den nicht mehr ganz frisch wirkenden Vorhang und fütterte die Maschine mit den Zahlungsmitteln ihrer Wahl.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Belehrungskino

Was der Fotoautomat seinem Telefoniekollegen aus dem Jahr 2000 voraus hat, ist ein Bildschirm. Und der wird, sobald man sich per Tastendruck für Passbilder entschieden hat, auch großzügig genutzt. Nämlich für eine Step-by-Step-Anleitung zu den Vorgaben für Ausweisdokumentfotos. Möglichst keine Brille (check), keine Haare ins Gesicht hängen lassen (sind eh zu wenige vorhanden), nicht lächeln (mittlerweile ohnehin vergangen), keine Kopfbedeckung et cetera.

Die Erklärungen sind, zugegebenermaßen, gut gemacht, bieten mir aber keine neue Information. Doch ein Überspringen ist nicht vorgesehen. Und so sitzt man minutenlang auf dem unbequemen Hocker im Kämmerchen und lässt das auch für alle anderen Westbahnhof-Besucher in der Nähe gut hörbare Belehrungskino über sich ergehen. Keine der fünf Tasten des Automaten vermochte daran etwas zu ändern. Hey, Leute, hier bin ich! Ich mache gerade Passfotos! Seufz.

Die Kamera und ich

Ja dann, aber dann war es endlich so weit. Nach Abgleich meiner Kopfhaltung in der Kameravorschau beantwortete ich die Frage – "Sind sie bereit?" – per Tastendruck positiv. "Jetzt geht's los!", verkündete die Computerstimme mit der erzwungenen Fröhlichkeit von Poolgymnastik-Animateuren kanarischer Ferienhotels. Doch zu früh gefreut. Weil das Foto erst nach einer unerwarteten Verzögerung geknipst wurde, kehrte zu früh Entspannung bei mir ein, und schon war die Aufnahme verhaut.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Noch zwei Versuche blieben mir, informierte mich die Maschine dann. Angesichts dessen, dass das Bild von einer Digitalkamera aufgenommen wird und nicht einem analogen Fotoapparat mit teurer Filmrolle, nicht gerade ein Akt der Großzügigkeit. Aber schließlich ging es ja nur um ein Frontalfoto mit "neutralem" Gesichtsausdruck. Was konnte schon schiefgehen?

Antwort: einiges. Eine versehentliche Bewegung später blieb mir nach tatsächlich drei Versuchen nur noch die Wahl, mich für den geringsten Unfall zu entscheiden. Die Variante mit dem, dank Maske, leicht schiefen Bart und einem Gesichtsausdruck, der trotz großer Bemühung um das besagte "neutrale" Gschau meine Gefühlslage gegenüber der archaischen Anlage zum Ausdruck brachte, in der ich mich befand.

Upgrade?

Zumindest beim letzten Abschnitt der Zeitreise wurde meine Geduld nicht weiter strapaziert. Brav spuckte die Maschine die Vierfachkopie des Fotos, über das ich keine weiteren Worte verlieren will, aus. Die Aufnahme sollte tags darauf am Amt anstandslos entgegengenommen werden.

Die nächsten zehn Jahre sollte ich diesen Ausflug also nicht wiederholen müssen. Und wer weiß, vielleicht gibts bis 2031 ja auch mal ein Upgrade für Fotoautomaten. (Georg Pichler, 15.3.2021)