Der Tod ist der endgültige Verlust der für ein Lebewesen typischen und wesentlichen Lebensfunktionen, belehrt uns Wikipedia. Die haben ja keine Ahnung! Wie kann es sein, dass ausgerechnet Wikipedia wesentliche Lebensfunktionen wie Facebook, Twitter, Xing, Linkedin, Google, Youtube, Flickr, Partnervermittlungsbörsen, die Cloud, Paypal, Ebay, Yahoo, Google, GMX, Hotmail et cetera ignoriert?

Beschäftigen wir uns also mit dem "digitalen Nachlass", und darüber hinaus nicht nur mit dem, das einst dem Verstorbenen "gehört" hat, sondern auch mit den sonstigen Spuren, die der Verstorbene im Internet hinterlassen hat. Beginnen wir mit dem digitalen Nachlass. Haben Sie Ihren digitalen Nachlass geregelt? Was gibt es da zu regeln? Und gehört das digitale Zeug überhaupt zum Nachlass? Gemäß § 531 ABGB ist Nachlass der Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, insofern sie nicht bloß in persönlichen Verhältnissen gegründet sind. Der Erbe tritt in die vererblichen Rechte und Pflichten ein – egal ob diese einen Geldwert haben oder nicht, ob sie privater oder geschäftlicher Natur sind. Unvererbliche Rechte gehen unter. Ganz allgemein: Liegen Anhaltspunkte für einen nachlasszugehörigen Account vor, so muss der jeweilige Betreiber dem Verlassenschaftsgericht beziehungsweise dem Gerichtskommissär (= Notar) Auskunft geben.

Gesetzliche Verschwiegenheitspflichten

Manche Gesetze sehen einen strengen Geheimnisschutz vor, wie etwa das Telekommunikationsgesetz (TKG) oder das Bankwesengesetz (BWG). Vom Telekommunikationsgeheimnis sind allerdings nicht die Stammdaten erfasst, die schon deswegen dem Gerichtskommissär bekanntzugeben sind. Davon abgesehen: Die Erben treten ja durch die Gesamtrechtsnachfolge in den Nutzungsvertrag mit dem Provider ein und sind daher dann nicht mehr "Dritte", denen gegenüber das Kommunikationsgeheimnis gelten würde. Auch das BWG sieht für den Fall des Todes eine Sonderregelung vor. Und da es sich beim Zugang zu einer Onlinebank nicht anders als bei konventionellen Banken verhält, gilt das auch für den uns interessierenden Fall: Gemäß § 38 BWG besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht im Fall des Todes des Kunden gegenüber dem Abhandlungsgericht und dem Gerichtskommissär, dem daher die entsprechenden Zugangsdaten offenzulegen sind. Der OGH hat schon 2001 gesagt, dass das Bankgeheimnis gegenüber den Erben als Gesamtrechtsnachfolgern nicht gilt.

Social Media

Zwar befinden sich Websites oder die Daten von Social-Media-Accounts nicht auf einem (vererbten) Speichermedium des Erblassers, sondern auf dem Server des Providers, sie sind daher als solche nicht Gegenstand der Eigentumsübertragung via Erbrecht.

Facebook ermöglicht im Todesfall zwei Optionen: Gedenkzustand oder Löschen. Konten im Gedenkzustand stellen, so Facebook, für Freunde und Familienangehörige eine Möglichkeit dar, zusammenzukommen und Erinnerungen zu teilen, wenn eine Person verstorben ist. Im Profil der Person wird dann neben ihrem Namen "In Erinnerung an" angezeigt, abhängig von den Privatsphären-Einstellungen des Kontos können Freunde in der in den Gedenkzustand versetzten Chronik Erinnerungen teilen. Von der verstorbenen Person geteilte Inhalte (zum Beispiel Fotos, Beiträge) bleiben auf Facebook verfügbar und sind für die Zielgruppe, mit der sie geteilt wurden, sichtbar. In den Gedenkzustand versetzte Profile erscheinen nicht öffentlich, etwa als "Person, die du vielleicht kennst", als Werbeanzeigen oder als Geburtstagserinnerung. Konten im Gedenkzustand, die nicht über einen Nachlasskontakt verfügen, können nicht geändert werden. Um das Facebook-Konto vollständig zu löschen, muss man Facebook einen Nachweis (die Sterbeurkunde oder Geburtsurkunde der verstorbenen Person oder einen rechtsgültigen Nachweis einer Behörde) vorlegen, dass man ein direktes Familienmitglied ist.

Auf Facebook und Co können Sie eine Person bestimmen, die im Fall Ihres Ablebens Zugriff auf Ihren Account bekommt.
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Aber wie ist es mit dem Zugang zum Account? 2018 hat der deutsche BGH über eine Klage von Eltern gegen Facebook entschieden, dass Facebook diesen den Zugriff zum Account ihrer verstorbenen Tochter gewähren musste. Und 2020 hat der BGH entschieden, dass sich Erben im Konto so bewegen können müssen wie die einstigen Kontoinhaber selbst. Begründung: Solche Verträge sind generell Teil des Erbes. Nach dem Tod des Nutzers gehen diese also auf die Erben über. Und diese deutschen Urteile haben auch schon in Österreich ihren Niederschlag gefunden: Voriges Jahr entschied das Bezirksgericht Dornbirn, dass Apple einer Erbin die Zugangsdaten zum Benutzerkonto und zur iCloud zur Verfügung stellen musste, das Urteil wurde rechtskräftig.

Allerdings ist das alles nur durchsetzbar, wenn den Erben überhaupt bekannt ist, bei welcher Plattform die verstorbene Person einen Account hatte und unter welchem Namen er oder sie dort aufschien. Gegebenenfalls müssten die Erben nachweisen, dass der Verstorbene Inhaber des "Nickname"-Accounts war. Einfacher wird die Sache für die Erben, wenn eine letztwillige Verfügung nicht nur in aller Klarheit sagt, wem welche Accounts zustehen sollen, sondern auch gleich die Zugangsdaten dazu liefert. Und genau das meint das "Regeln des digitalen Nachlasses". Natürlich gibt es zum Thema noch einiges zu sagen, etwa zu den Spuren einer verstorbenen Person im Internet und der Frage, wie das dann mit den postmortalen Persönlichkeitsrechten ist. Genug Stoff für den nächsten Blogbeitrag. (Thomas Höhne, 18.3.2021)