Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer stellten am Montag die Pläne der Koalition zum Umbau des Verfassungsschutzes vor.

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Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) soll bald Geschichte sein. Die Institution habe "als Schutzmauer der Republik schwere Risse bekommen", wie Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Montag sagte.

Tatsächlich taumelte das in seinem knapp 20-jährigen Bestehen weitgehend von ÖVP-Innenministern verantwortete BVT zuletzt von einem Skandal zum nächsten. Im Februar 2018 kam es – vom neuerdings blau geführten Innenministerium unter der Ägide Herbert Kickls befeuert – zur berühmten Razzia beim BVT. Diese wurde zwar später vom Gericht als rechtswidrig beurteilt, doch das Vertrauen der internationalen Partner war dahin – zumal auf den beschlagnahmten Unterlagen auch Daten fremder Geheimdienste lagen.

Neugründung als DSN

Im folgenden Untersuchungsausschuss wurden außerdem gravierende Qualitätsmängel und durch schwarze Freunderlwirtschaft potenzierte Personalprobleme beim BVT ruchbar. Hinzu kamen Ermittlungspannen im Vorfeld des Wiener Terroranschlags und die mutmaßliche Verstrickung von (Ex-)BVT-Mitarbeitern in die Wirecard-Affäre.

Zur Abkehr von all dem kündigt die Koalition – in den Worten von Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer – nichts weniger als eine "Neugründung" des Verfassungsschutzes an. Das äußerlich sichtbarste Zeichen der bereits im türkis-grünen Regierungsprogramm paktierten BVT-Reform bildet eine Namensänderung. "Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst" – kurz DSN – soll das Amt künftig heißen.

Trennung Nachrichtendienst und Kriminalpolizei

Das "und" im neuen Namen markiert zugleich die strukturelle Zweiteilung, die umzusetzen man sich anschickt: Die staatspolizeiliche Aufgabe der Gefahrenabwehr samt Vernehmungen und Verhaftungen soll strikt getrennt werden von der nachrichtendienstlichen Aufgabe der Informationssammlung zwecks Gefahrenforschung.

Experten hielten die international unübliche Vermischung dieser Bereiche beim BVT schon seit dessen Gründung für verfehlt, auch bei den Partnerdiensten sorgte die Hybridstruktur für Skepsis. Darauf reagiert Türkis-Grün mit der besagten Aufspaltung in zwei Bereiche: Mitarbeiter des Nachrichtendienstes müssen demzufolge nicht mehr als polizeiliche Ermittler tätig werden, wenn sie bei ihren Recherchen auf mögliche Straftaten stoßen. Vielmehr sollen sie ihre Erkenntnisse nach oben in eine Verbindungsstelle ("Lagezentrum") der Direktion schleusen, wo dann über eine Einschaltung des kriminalpolizeilichen Bereichs befunden wird. Der nachrichtendienstliche Teil wird aus den bisherigen Landesämtern abgezogen, die Mitarbeiter werden auch keine Waffen tragen. Durch das Lagezentrum soll der Informationsaustausch zwischen den Bereichen gewährleistet sein.

Verbot von Nebenjobs

Der langjährige BVT-Leiter Peter Gridling ist seit Herbst in Pension, eine neue Chefin oder ein neuer Chef der DSN steht aber noch nicht fest. Wie alle DSN-Führungskräfte sollen sie jedenfalls von einer Bestellungskommission bewertet werden. Durch Unvereinbarkeitsregeln will man politische Amtsträger von den Posten in oberen Etagen ausschließen.

Um Befangenheiten zu vermeiden, ist überdies ein Verbot von Nebenbeschäftigungen geplant. Immer wieder hatte es zuletzt für Verwunderung gesorgt, dass sich Geheimdienstler ihr staatliches Gehalt durch lukratives Engagement in der Privatwirtschaft auffetten dürfen und davon auch regen Gebrauch machen.

Die Grünen können den Ausbau der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes als Erfolg verbuchen. Es soll eine permanente und weisungsfreie Kontrollkommission installiert werden. Ihre drei Mitglieder sollen vom Hauptausschuss des Nationalrats vorgeschlagen und mit Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gewählt werden. An einer größeren Oppositionspartei würde also bei der Zusammensetzung der Kommission kein Weg vorbeiführen.

Umfassendere Kontrolle

Die Unabhängigkeit der Kontrolleure soll durch die lange Funktionsdauer von zehn Jahren sowie die Unmöglichkeit der Wiederwahl gestärkt werden. Die Kommission soll volle Akteneinsicht bekommen und jederzeit die Räume der Direktion betreten dürfen, um sich ein Bild über Vorgänge zu verschaffen. Whistleblower sollen bei Kontrolleuren Missstände melden können. Für die gesetzliche Etablierung der Kommission braucht es eine Verfassungsmehrheit, mithin die Zustimmung von SPÖ oder FPÖ.

Die Reaktion der Opposition auf die gesamte Reform fiel am Montag kritisch, aber verhandlungsbereit aus. Der SPÖ ist die angekündigte Trennung von Nachrichtendienst und Staatspolizei zu schwammig, Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner zweifelt ferner an der Unabhängigkeit des Kontrollgremiums, weil es beim Innenministerium angesiedelt wird. FPÖ und Neos monieren, die Opposition sei zu wenig in die Gestaltung eingebunden worden. Im Juli will Türkis-Grün das Paket im Parlament beschließen. (Theo Anders, 15.3. 2021)