Etwa 80 Prozent aller bekannten Elemente gelten in der Chemie als Metalle, an den Rändern gibt es freilich fließende Übergange. Vier Charakteristika zeichnen flüssige oder feste metallische Stoffe aus: sie haben eine hohe Wärmeleitfähigkeit und metallischen Glanz, sind verformbar verfügen im Normalfall über eine hohe elektrische Leitfähigkeit. Bei manchen metallischen Materialien reichen aber schon winzige Änderungen der chemischen Zusammensetzung aus, um über Leitung oder Isolierung zu entscheiden. Wissenschafter kennen solche metallischen Zustände mit geringer elektrischer Leitfähigkeit als "schlechte Metalle".

Woher die elektrische Leitfähigkeit kommt, lässt sich mit gut erprobten physikalischen Theorien erklären. Was hinter den "schlechten Metalle" steckt, konnten herkömmliche Theorien dagegen bisher nicht aufschlüsseln. Wiener Physiker zeigen nun gemeinsam mit internationalen Kollegen, dass die "bad metals" so "schlecht" gar nicht sind: Wenn man genau hinsieht, passt ihr Verhalten durchaus zu dem, was man schon bisher über Metalle wusste.

Einige exotische Metallverbindungen besitzen unerklärliche Eigenschaften.
Foto: James St. John

Vom Leiter zum Isolator

Spezielle metallische Materialien, kleine im Labor gezüchtete Kristalle, stehen aktuell im Forschungsinteresse von Andrej Pustogow und seiner Arbeitsgruppe am Institut für Festkörperphysik der TU Wien. "Diese Kristalle können die Eigenschaften eines Metalls annehmen, doch wenn man die Zusammensetzung minimal variiert, haben wir es plötzlich mit einem Isolator zu tun, der keinen Strom mehr leitet und bei bestimmten Frequenzen durchsichtig ist wie Glas", sagt Pustogow.

Direkt an diesem Übergang stößt man auf ein ungewöhnliches Phänomen: Der elektrische Widerstand des Metalls wird extrem groß – und zwar größer, als es nach üblichen Theorien überhaupt möglich sein dürfte. "Elektrischer Widerstand hat damit zu tun, dass die Elektronen an einander oder an den Atomen des Materials gestreut werden", erklärt Pustogow.

Mehr Widerstand als möglich

Nach dieser Betrachtungsweise müsste der größtmögliche elektrische Widerstand gemessen werden, wenn das Elektron auf seinem Weg durch das Material an jedem einzelnen Atom gestreut wird – zwischen einem Atom und seinem Nachbarn befindet sich schließlich nichts, woran das Elektron aus seiner Bahn geworfen werden könnte. Doch bei den "schlechten Metallen" scheint diese Regel nicht zu gelten: Sie zeigen einen noch deutlich höheren Widerstand als dieses Modell erlauben würde.

Der Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels ist, dass die Materialeigenschaften frequenzabhängig sind. "Wenn man den elektrischen Widerstand bloß misst, indem man eine Gleichspannung anlegt, bekommt man nur eine einzige Zahl – den Widerstand für die Frequenz 0", sagt Andrej Pustogow. "Wir haben hingegen optische Messungen durchgeführt und dafür Lichtwellen mit ganz unterschiedlichen Frequenzen verwendet."

Winzige Defekte

Dabei zeigte sich, dass die "schlechten Metalle" so "schlecht" gar nicht sind: Bei niedrigen Frequenzen leiten sie zwar kaum Strom, aber bei höheren Frequenzen verhalten sie sich so, wie man das von Metallen erwarten würde. Das Forschungsteam nennt als eine mögliche Ursache winzige Mengen an Verunreinigungen oder Fehlstellen im Material, welche von einem Metall an der Grenze zu einem Isolator nicht mehr ausreichend abgeschirmt werden können.

Diese Defekte können dazu führen, dass manche Bereiche des Kristalls keinen Strom mehr leiten, weil dort die Elektronen an einem bestimmten Ort lokalisiert bleiben anstatt sich weiterzubewegen. Wenn man an das Material eine Gleichspannung anlegt, sodass die Elektronen von einer Seite des Kristalls zur anderen wandern können, dann trifft praktisch jedes Elektron irgendwann eine solche isolierende Region, und Strom kann kaum fließen.

Bei hoher Wechselstromfrequenz hingegen bewegt sich jedes Elektron ununterbrochen hin und her – es legt im Kristall keinen weiten Weg zurück, weil es immer wieder die Richtung ändert. Das bedeutet, dass in diesem Fall viele Elektronen gar nicht in Kontakt mit einer der isolierenden Regionen im Kristall kommen, berichten die Forscher im Fachjournal "Nature Communications".

Rätselhafte "unkonventionelle Supraleitung"

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass optische Spektroskopie ein sehr wichtiges Werkzeug ist, um fundamentale Fragen der Festkörperphysik zu beantworten", sagt Pustogow. "Viele Beobachtungen, für die man bisher glaubte, exotische, neuartige Modelle entwickeln zu müssen, könnten sich sehr wohl mit bekannten Theorien erklären lassen, wenn man diese adäquat ergänzt. Unsere Messmethode zeigt, wo die Ergänzungen notwendig sind."

Das metallische Verhalten von Materialien, in denen starke Korrelationen zwischen den Elektronen herrschen, ist auch besonders relevant für die sogenannte "unkonventionelle Supraleitung" – ein Phänomen, das vor einem halben Jahrhundert entdeckt wurde, aber bis heute nicht vollständig verstanden ist. (red, 15.3.2021)