Andrew Cuomo wehrt sich gegen seinen Abgang.

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Er sei nun mal kein Mitglied dieses Clubs, sagte Andrew Cuomo, nachdem ihm die Mehrheit seiner Parteifreunde im Parlament New Yorks den Rücktritt nahegelegt hatte. Es war der Versuch, sich in der Rolle des Machers zu inszenieren, angefeindet in den eigenen Reihen, populär bei Leuten, die sich nicht täglich mit Politik beschäftigen. Nicht die Politik habe ihn gewählt, sondern das Volk, betonte Cuomo, der seit zehn Jahren Gouverneur seines Bundesstaats ist. Ein Mann, dem die letzten Verbündeten von der Fahne gehen, bläst mit populistischen Untertönen zur Gegenoffensive.

Vor einem Jahr war er "America's Governor", so etwas wie der Fels in der Brandung, als die Anfangsphase der Epidemie vor allem eines bedeutete: akute Verunsicherung. Die täglichen Pressekonferenzen, auf denen er die Corona-Lage analysierte, ohne sie zu beschönigen, aber auch ohne zu übertreiben, wurden für Millionen von US-Amerikanern zum Pflichtprogramm. Kurz vor der Präsidentschaftswahl im November erschien ein Buch, in dem er, wie schon der Untertitel ankündigte, "Führungslehren aus der Covid-19-Pandemie" zog. Fast hatte es den Anschein, als wollte er sich selbst fürs Weiße Haus empfehlen. Heute verlangen 59 Abgeordnete seines Staates, allesamt Demokraten, dass er seinen Hut nimmt.

Mehrere Skandale

Begonnen hat es mit einem Vertuschungsmanöver, das ein New Yorker Boulevardblatt aufdeckte. Um die Statistik zu schönen, ließ der Gouverneur die Zahl der Bewohner von Altersheimen, die an den Folgen einer Corona-Infektion starben, um 50 Prozent niedriger angeben, als sie tatsächlich war. Den Skandal glaubte er so gut wie überstanden zu haben, da machten Berichte von Frauen die Runde, die sich von ihm im Laufe der Jahre sexuell belästigt fühlten.

Eine ehemalige Mitarbeiterin namens Lindsey Boylan schilderte, Cuomo habe sich ihr in den Weg gestellt und ihr einen Kuss aufgezwungen, um ihr später eine Partie Strip-Poker vorzuschlagen. Eine andere, namentlich nicht Genannte gab zu Protokoll, er habe ihr in seiner Residenz ungefragt unter die Bluse gefasst. Charlotte Bennett, 25 Jahre alt, erzählte von anzüglichen Fragen über ihr Liebesleben. Zum Beispiel habe Cuomo wissen wollen, ob sie schon einmal mit einem älteren Mann zusammen gewesen sei.

Vorwurf des Machtmissbrauchs

Mittlerweile sind es sechs Frauen, die sich zu Wort gemeldet haben. Aus dem Helden der Pandemie ist in der öffentlichen Wahrnehmung ein lüsterner Tyrann geworden, einer jener Machos, die die MeToo-Bewegung in die Schranken zu weisen verspricht. Anders als Harvey Weinstein, der Filmproduzent, dessen Taten die MeToo-Lawine ins Rollen brachten, hat er keine der Frauen zum Sex gezwungen. Das Handlungsmuster, schreibt Rebecca Traister in der Zeitschrift "New York", sei indes das gleiche. "Vielleicht ist Cuomo ein Paradebespiel dafür, dass es bei sexueller Belästigung gar nicht um Sex geht, sondern allein um Macht." Er habe den ihm Untergebenen vor Augen führen wollen, wie klein sie seien im Vergleich zu der Macht, die er verkörpere.

Nun scheint der 63-Jährige vor dem Scherbenhaufen seiner Karriere zu stehen. Eigentlich wollte der Sohn eines Gouverneurs, der es auf drei Amtszeiten brachte, seinen Vater übertrumpfen und 2022 zum vierten Mal für den Posten kandidieren. Dass es ihm gelingt, darf, zurückhaltend formuliert, bezweifelt werden. Etliche seiner Parteifreunde wollen sogar erreichen, dass er die Gouverneursvilla in Albany verlässt, bevor seine dritte Amtszeit beendet ist. Auch die beiden Senatoren, die New York in Washington vertreten, reihten sich vorigen Freitag in die Protestbewegung ein. Cuomo habe das Vertrauen der Bevölkerung verloren, schrieben Chuck Schumer und Kirsten Gillibrand in einem Statement. Im Dezember 2017 gehörte Gillibrand zu denen, die im Zuge von Belästigungsvorwürfen den Rücktritt des Senators Al Franken erzwangen, eines Demokraten aus Minnesota. So ist es nur folgerichtig, dass sie jetzt auch auf Cuomos Abgang drängt.

Gegen Pläne der Linken

Das alles geschieht vor dem Hintergrund einer Machtverschiebung bei den Demokraten in den US-Küstenmetropolen, besonders ausgeprägt in New York, wo der linke Flügel immer klarer den Ton angibt. Stellvertretend für den Trend steht Alexandria Ocasio-Cortez, die das interne Duell gegen einen erfahreneren Kontrahenten aus der politischen Mitte gewann, bevor sie im Januar 2019 in den Kongress einzog. Im Bund mit Gleichgesinnten durchkreuzte sie die Pläne des Handelsgiganten Amazon, in Long Island City, nur durch den East River getrennt von Manhattan, ein zweites Hauptquartier zu errichten, mit dem Argument, die damit verbundene Gentrifizierung gehe zu Lasten der Schwachen, die aus ihrem angestammten Viertel vertrieben würden.

Cuomo soll das Scheitern des Prestigeprojekts mit einem Wutanfall quittiert haben. Heute stemmt er sich gegen die Pläne der Linken, coronabedingte Haushaltslöcher zu stopfen, indem betuchte New Yorker stärker zu Kasse gebeten werden. Eine Millionärssteuer, entgegnet er, bewirke das Gegenteil dessen, was man eigentlich anstrebe: Dass Leute zurückkehren in die Stadt, die sie in der Krise verlassen haben. (Frank Herrmann, 15.3.2021)