Die 23-jährige Gabi Wilson erhielt ihren vierten Grammy.

Foto: AFP

Die 23-jährige Gabriela Sarmiento Wilson hat ihren Künstlerinnennamen ganz bewusst ungoogelbar angelegt. H.E.R. Zwar steht das Akronym für "Having Everything Revealed", also eben dafür, alles enthüllt zu haben, doch meint die Musikerin damit die Gefühle, die sie in ihren Songs anspricht, nicht den Lebenslauf der Person Wilson. Oftmals geht es in ihren R-’n’-B-Balladen um die im Liebesleid geprüfte Frau an sich – H.E.R. will also zur Stimme jeder Frau werden, die jemals an einer Trennung zerbrochen und wieder aufgestanden ist.

Wenn man nun den Grammy für den Song des Jahres gewinnt, wie es Wilson mit "I Can’t Breathe" gelungen ist, steigt natürlich das öffentliche Interesse an dem Menschen, der ihn geschrieben hat. Als Kind einer Filipina und eines Afroamerikaners in San Francisco aufgewachsen, schrieb die heutige Multiinstrumentalistin bereits als junges Mädchen Gedichte und Texte.

NPR Music

Im Alter von zehn Jahren sang sie in der amerikanischen Today Show ein Cover von Alicia Keys’ "If I Ain’t Got You". 2014 unterschrieb das Talent einen Plattenvertrag bei RCA, zwei Alben sind seither erschienen, die von der Kritik durchweg positiv aufgenommen wurden. Einflüsse von Altervorderen wie Prince und Whitney Houston sind in der Musik von H.E.R. genauso hörbar wie die Nähe zu Zeitgenossinnen wie SZA oder Drake.

Gesellschaftspolitische Aktualität

Der Grammy für "I Can’t Breathe" ist nicht Wilsons erster. Sie war bereits 13-mal nominiert, konnte 2018 zwei Trophäen – unter anderem für das beste R-’n’-B-Album – mit nach Hause nehmen. Dieses Jahr erhielt sie neben der Auszeichnung für den Song des Jahres einen weiteren Grammy für den besten R-’n’-B-Song.

Wiewohl wenig Zweifel an der Qualität von Wilsons Werk besteht, ist "I Can’t Breathe" – diesen Satz sagte George Floyd immer wieder, bevor er im Mai 2020 von einem Polizisten getötet wurde – sicher auch wegen seiner gesellschaftspolitischen Aktualität als Song des Jahres ausgezeichnet worden. Das Lied thematisiert strukturellen Rassismus und die Angst um das eigene Leben, die Schwarze in Amerika täglich haben.

H.E.R.

Das Video zu "I Can’t Breathe" zeigt Szenen von den Protesten der Black-Lives-Matter-Bewegung. Wieder geht es bei diesem H.E.R-Song nicht nur um Wilson selbst, sondern um den Schmerz und die Erfahrungen einer Gruppe. "Lasst uns den Kampfeswillen, den wir im Sommer 2020 in uns hatten, beibehalten!", sagte sie, als sie Sonntagabend ihren Grammy entgegennahm. (15.3.2021, Amira Ben Saoud)