Rudolf Anschober hat sich am Montag nach kurzer krankheitsbedingter Abwesenheit zum Dienst zurückgemeldet. Die gute Nachricht dabei: Der Gesundheitsminister entkräftete hörbar entspannt die in Wien gestreuten Gerüchte, er habe wie schon vor zehn Jahren erneut ein Burnout erlitten.

Das stimme nicht, erklärte der grüne Politiker im Morgenjournal. Er habe wegen der notorischen Arbeitsüberlastung einen Schwächeanfall, einen Kreislaufkollaps gehabt, sei gemäß einem Check im Spital organisch gesund und "voller Tatendrang". Das ist nicht nur für ihn persönlich erfreulich, sondern in der von Intrigen und böswilligen Aktionen übervollen Innenpolitik in Österreich auch eine wichtige Information für die breite Öffentlichkeit.

Es muss jetzt lückenlos aufgeklärt werden, wann wer welche Fehler gemacht hat.
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Die Bürger haben ein Recht darauf, zu wissen, ob ein Minister handlungsfähig ist; ob sie auf ihn als eine der Schlüsselpersonen der Regierung in der sich wieder verschärfenden Corona-Krise zählen können. Stichwort: Osterlockdown.

Wenn persönliche Befindlichkeiten ausgeschlossen werden können, öffnet das umso mehr den Raum für den kritischen Blick auf die Sacharbeit der türkis-grünen Regierung zur Pandemie. Und das führt direkt zur schlechten Nachricht nach der Anschober-Rückkehr.

Keine 72 Stunden nach der überraschenden Attacke von Bundeskanzler Sebastian Kurz gegen das Gesundheitsministerium und die Europäische Union – wegen einer von ihm angeprangerten Unterversorgung Österreichs mit Impfstoff aus gemeinschaftlichen Kontingenten in Brüssel – steht die Regierung als Ganzes beschädigt da.

Politischer Schüttelfrost

Man hat den Eindruck, die türkis-grünen Koalitionäre haben politisch Schüttelfrost, so wie sie im Inland ihr eigenes Versagen durch Schuldzuweisungen an jeweils andere und das Werfen von Nebelkerzen zu verbergen suchen. Oder, um es in eine europäische Perspektive zu bringen: Der entstandene Imageschaden bei den EU-Partnern wie auch der Vertrauensverlust bei den Bürgern könnte größer kaum sein. Völlig zu Recht fragen sich diese, ob Anschober nach all den Pannen im Jahr 2020 sein Ministerium im Griff hat. Oder ob Kurz das Regieren als ständigen Nahkampfsport und Vertrauenserschütterung versteht. Oder was man überhaupt noch glauben soll. Wenn ein Gesundheitsminister zugeben muss, dass er im Jänner schlicht nicht wusste, dass Österreich bei einer EU-Verteilungskonferenz auf die Zuteilung von zusätzlichen 100.000 Impfdosen der Marke Pfizer/Biontech verzichtete, ist das ein Skandal.

Seine Mitarbeiter hatten verstärkt auf Astra Zeneca gesetzt und sich dabei verschätzt. So sympathisch Anschober das jetzt auch erklärt, es gehört zur Gänze aufgeklärt, was da lief und wer was wusste. Seit Anfang Jänner warteten gut 200.000 über Achtzigjährige, die nicht in einem Heim leben, dringend auf eine Impfung. Man hätte sie früher impfen können. Da hat der Kanzler recht mit seiner Kritik, trifft einen wunden Punkt.

Aber in der Art, wie Kurz das in einer Pressekonferenz öffentlich vorbrachte, indem er zuerst versuchte, der EU den schwarzen Peter zuzuschieben, noch bevor er die Sache in Ruhe mit seinem Fachminister abklärte, beschädigte er sich gleichzeitig selbst. So kann man nicht führen, so kann man nicht regieren. Vor allem: So kann man die breite Mehrheit der Bürger nicht davon überzeugen, dass sie sich in puncto Impfen keine Sorgen machen sollen. (Thomas Mayer, 15.3.2021)