Vielen Arbeitnehmerinnen sei nicht klar, dass nach einem Berufsleben in Teilzeit nur eine Schmalspurpension herauskommt, warnen Ökonomen.

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Wien – Teilzeit weniger attraktiv machen – mit dieser Ansage hat der Arbeitsminister am Wochenende eine Debatte über Teilzeitbeschäftigung angefacht. Und die geht kreuz und quer, denn über Vor- und Nachteile lässt sich trefflich streiten – und darüber, ob Steuerstruktur und Sozialversicherungssystem Anreize schaffen, die sich langfristig negativ auswirken.

"Die Frage ist, ob jemand Teilzeit arbeitet, weil er das will, oder ob ihm nichts anderes übrig bleibt", skizziert der Arbeitsmarktexperte des Instituts für Höhere Studien (IHS), Helmut Hofer, das Dilemma.

Teilzeit als Falle

So sehr es von den individuellen Lebensumständen abhänge, beide Varianten haben eines gemeinsam: Je niedriger das Aktivgehalt, desto niedriger fällt die Alterspension aus und desto größer ist die Gefahr von Altersarmut. So gesehen kann Teilzeit eine Falle sein.

In der sitzen Frauen wesentlich häufiger als Männer, denn auf sie geht die mit 47 Prozent im internationalen Vergleich hohe Teilzeitquote in Österreich mehrheitlich zurück. Allerdings, relativiert IHS-Experte Hofer, ist es auch eine Frage der Alternativen. "Werde oder bleibe ich arbeitslos, wenn ich keinen Teilzeitjob annehme?

Relative Freiwilligkeit

Womit wieder die Freiwilligkeit ins Spiel kommt, die ihrerseits relativ ist. Denn wohl suchen viele Handels- und Dienstleistungsbetriebe ausschließlich Teilzeitkräfte, das kommt vielen Arbeitnehmerinnen aber entgegen, weil es häufig der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen ist, der Frauen in Teilzeitbeschäftigung führt. Auch Öffnungszeiten und Flexibilität der Kinderbetreuungseinrichtungen spielen da mit hinein. Die gern als Beispiel angeführten Handelsangestellten hatten vor der Pandemie in Städten teils erst um 20 Uhr Ladenschluss – ein Zeitpunkt, zu dem Kindergärten in der Regel längst geschlossen sind.

Andererseits erlaubt die Teilzeitbeschäftigung Arbeitszeitmodelle, die bei Vollzeit nie möglich wären. Für eine Verkäuferin oder Kassiererin aus dem Südburgenland zahlte es sich nie aus, für vier Stunden Arbeitszeit täglich zum Supermarkt in Wien zu pendeln. Blockt sie ihre 24-Stunden-Wochenarbeitszeit aber auf zwei bis drei Tage, erspart sie sich lange Anreisezeiten und kommt auf dieselbe Stundenzahl.

Staat gibt Fehlanreize

Allerdings, hält Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller dem entgegen, gibt der Staat auch allerlei Anreize, die langfristig negativ wirken. So gibt es trotz Senkung des Eingangssteuersatzes in der Lohn- und Einkommensteuer die "große Grenzbelastung": Ab einem Einkommen von jährlich 11.000 Euro (bis 18.000 Euro) werden sofort 20 Prozent Einkommensteuer fällig. Das sei für Bezieher kleiner Einkommen wenig Anreiz, die Wochenarbeitszeit aufzustocken. Ähnlich verhält es sich bei der zweiten Progressionsstufe, ab 18.000 Euro werden 35 Prozent Lohnsteuer fällig.

Mit Betreuungsplätzen steht und fällt das Ausmaß der Beschäftigung vieler Frauen.
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Fehlanreize attestiert die Budget- und Steuerexpertin des Wifo aber bereits bei der Geringfügigkeit, also Monatseinkommen bis 460,66 Euro. Wird dieses Limit auch nur um einen Euro überschritten, werden sofort die vollen Sozialversicherungsabgaben fällig, also Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge (die Unfallversicherung müssen auch geringfügig Beschäftigte zahlen). Das sei auch kein echter Anreiz, die Erwerbsarbeit auszuweiten, dazu seien die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen insbesondere bei Personen mit Betreuungspflichten (sei es Kinder- oder Altenbetreuung) vielfach unzureichend, sagt Schratzenstaller.

In diesem Sinne sei Kochers Ansage im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Profil zu verstehen, dass der Staat "Teilzeit weniger attraktiv" machen sollte, betont man auf Nachfrage des STANDARD im Arbeitsministerium. Die dafür notwendige große Reform des Steuer- und Sozialsystems inklusive Senkung der Lohnnebenkosten freilich wurde pandemiebedingt verschoben – beziehungsweise sei diese in dieser Legislaturperiode nicht mehr geplant

Der Schuss gegen Teilzeit könne auch nach hinten los gehen, warnt IHS-Mann Hofer, weil Frauen dann ganz vom Arbeitsmarkt wegbleiben und zuhause bleiben.

Steuerprogression nicht spielentscheidend

Wifo-Einkommensexperte Helmut Mahringer sieht nicht so sehr die Steuerprogression als Anreiz für Teilzeit (weil obere Einkommensteile höheren Steuersätzen unterliegen), wohl aber "Goodies" wie den Alleinverdiener-Absetzbetrag. Letzterer trage zweifellos zur Nichterwerbstätigkeit meist von Frauen bei. Dreh- und Angelpunkt sei bei der Teilzeit aber die Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit Betreuungspflichten. Das gehe aus der Arbeitskräfteerhebung klar hervor. Bei Männern hingegen werde Teilzeit vorrangig mit Weiterbildung und Studium begründet.

Große Wirkung entfalten freilich auch die Kosten: Sinken die Ausgaben für den Kinderbetreuungsplatz und steigen Verfügbarkeit und Qualität, wirke das wie eine Gehaltserhöhung, weil netto mehr übrigbleibe.

Von Vollzeit auf Teilzeit zu reduzieren, führe oft in den Abstieg, gibt Mahringer zu bedenken. Die meisten Teilzeitjobs seien nicht im hochqualitativen Bereich. Auch deshalb sollten Teilzeit-Phasen eher kurz gehalten werden.

Überschätzt

In diese Kerbe schlägt auch der Steuer- und Einkommensexperte der Arbeiterkammer, Dominik Bernhofer. Er hält die Anreize im Abgabensystem für überschätzt. Im Umkehrschluss müsste man sonst die durchschnittlichen Steuersätze für Teilzeitkräfte erhöhen, um Teilzeit unattraktiver zu machen. Oder die Negativsteuer streichen. Das könne wohl nicht zielführend sein. Für viel wirkungsvoller hält auch Bernhofer die Verfügbarkeit von leistbaren Betreuungseinrichtungen für Kinder genauso wie für Alte und Pflegebedürftige. (Luise Ungerboeck, 16.3.2021)