Bild nicht mehr verfügbar.

Bei echter Entspannung schläft M. einfach ein.

Foto: Getty Images/filadendron

Die Grundlage von Wellness ist natürlich das Zwischenmenschliche. Experten sagen: ein Kuss – schon tanzen tausend Glückshormone an, gegen Krebs und freie Radikale. Bei Ganzkörperkontakt sind es angeblich sogar Milliarden. Wie immer klingen die Berechnungen auf dem Papier einfach. In der Praxis bleibt es kompliziert.

Happy End mit Hindernis

Nehmen wir zum Beispiel meine Freundin M.: Kurz vor ihrem vierzigsten Geburtstag landete M., mehr aus Versehen, auf einem Samba-Festival. Warum sie in diesem Sommer kanariengelbe Pumps trug, weiß sie selbst nicht mehr. Auf jeden Fall tanzte sie mit ihren Ausgehschuhen in einen charmanten Astrophysiker hinein. Seitdem sind die beiden ein Paar. – "Die Liebe ist ein privates Weltereignis", heißt es dazu bei Tucholsky. Nach gefühlten hundert Jahren als Großstadtsingle war es im Fall von M. eher wie eine private Mondlandung.

Für uns, ihre mit originellen Nichtverhältnissen beschäftigten Freunde, ist M. seitdem "die Frau mit der funktionierenden Beziehung". Vor so etwas hat man den "respect". Ja, es duftet alles verdammt nach Happy End – wenn, ja wenn da nicht dieses klitzekleine Problem wäre:

Sobald bei M. echte Entspannung eintritt, schläft sie leider ein. Im Kino. Vor dem Fernseher. Und leider auch beim Sex. Wir können damit leben, wenn sie im Cine Center nach zehn Minuten leise vor sich hin schnarcht. Ihr Freund im Schlafzimmer naturgemäß weniger. "Er ist gerade mal wieder richtig sauer", vertraute sie mir vor ein paar Tagen an. Klar, so ein Stromausfall kratzt am Ego – da kann M. noch so oft betonen, dass das Ganze ein Systemfehler und nichts Persönliches ist.

Tiefenentspannung

"Vielleicht leidest du unter leichter Narkolepsie", versuchte ich mich in Küchenmedizin. – "Wahrscheinlich", stöhnte M. – Mittlerweile schien die Gute offen zu sein für jedes noch so absurde Erklärungsmodell. Dabei würden Nervenärzte bestätigen, dass die Sache mit der Tiefenentspannung ein Grenzgang ist: Zu wenig, und du gehst im Kopf weiter die Einkaufsliste durch. Zu viel, und der Parasympathikus legt deinen Kreislauf lahm.

Trotzdem suchten wir den Fehler zuerst bei M. – ganz im Gegensatz zu unserem gemeinsamen Freund, dem wilden Künstler. Der Mann, der sich selbst gerne "Sexgott" nennt, meinte auf Nachfrage bloß: "Du Arme, dafür kannst du wirklich nichts! Ich frage mich, warum dein Freund nicht einfach einen Fetisch daraus macht." – Wellness bedeutet eben nicht nur Kräuterwickel und Sport. Sondern auch, sich nicht mehr für die Enttäuschungen der anderen verantwortlich zu fühlen. (Ela Angerer, RONDO, 25.3.2021)