Viele Wirte werden auch nach Ende des Lockdowns nicht aufsperren.

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Bekommen Arbeitslose so viel Unterstützung, dass sie gar keinen echten Druck mehr verspüren, nach einen Job zu suchen: Über diese Frage bricht in Österreich in regelmäßigen Abständen eine Diskussion los. Meist ist es die ÖVP, die falsche Anreize ausgemacht haben will. Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat soeben in einem Interview mit Profil eine Reform des Arbeitslosengeldes nach der Pandemie angekündigt, um ein besseres Anreizsystem zu schaffen. "Vermittlung muss effizienter werden", so der Minister.

Das Arbeitslosengeld sollte künftig vielleicht ganz am Anfang etwas höher sein, dann aber unter den Wert von aktuell 55 Prozent absinken, um zu signalisieren, die Betroffenen sollten bald einen Job annehmen, so Kocher. Manche Menschen würden derzeit zu lange warten.

Über Anreize im Wirtschaftsleben zu diskutieren gehört für Ökonomen zum Alltag und ist auch in der Politik wichtig, wenn es um die Beurteilung staatlicher Eingriffe geht. So gesehen ist die Debatte um das Arbeitslosengeld nicht verwunderlich. Bemerkenswerter ist aber, dass aktuell in einem ganz anderen Bereich ein Fall möglicher Fehlanreize offen zutage tritt – dazu aber eine Debatte ausbleibt.

Viele lassen lieber zu vorerst

Dabei geht es um die Frage, ob das Netz an staatlichen Hilfen für Unternehmen so ausgestaltet ist, dass es attraktiv werden kann, weniger oder gar nichts zu tun. Konkret stellt sich diese Frage in der Gastronomie. Seit Montag dürfen die Gastro-Betriebe in Vorarlberg wieder aufsperren. Laut einer Umfrage der Vorarlberger Wirtschaftskammer, an der rund 650 Betriebe teilgenommen haben, wollen nur 30 Prozent der Gastro-Betriebe im westlichsten Bundesland fix aufsperren. 40 Prozent geben an, nicht aufmachen zu wollen, rund ein weiteres Drittel überlegt noch. Was aber spricht gegen die Öffnung?

Mehrere Faktoren kommen zusammen. Zunächst ist da die Pandemie. Aufsperren ist auch in Vorarlberg nur unter Auflagen erlaubt, so müssen die Restaurants etwa um 20.00 Uhr zusperren, Eintrittstests sind notwendig. Die Umsätze dürften damit die Vor-Pandemie-Zeit nicht erreichen.

Eine weitere Rolle für die Inaktivität dürften aber staatlichen Hilfen, besonders der Ausfallbonus spielen, wie der Ökonom Paul Pichler von der Universität Wien sagt.

Der Ausfallbonus wird vom Finanzministerium an Betriebe mit hohen Umsatzverlusten in der Zeit November 2020 bis Juni 2021 ausbezahlt. Dass ein Lockdown verhängt wurde, ist für den Erhalt nicht notwendig. Auch Vorarlberger Wirte, die nun öffnen könnten, es aber nicht tun, bekommen also das Geld. Der Clou: Den monatlichen Bonus gibt es nur, wenn der Umsatzrückgang mindestens 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat beträgt.

Heikler Grenzwert

Für viele Betriebe, besonders wenn Sie schon im März Take-away-Geschäft hatten und laufend Umsätze haben, könnte die "Gefahr" bestehen, diese Schwelle nach einer kompletten Öffnung zu überschreiten, sagt Ökonom Pichler. Für diese Unternehmen gebe es einen Anreiz, gar nicht aufzumachen und stattdessen die Finanzspritze zu nehmen.

Beim Bonus ersetzt werden 30 Prozent des Umsatzrückgangs im Vergleich zum Vorjahr, wobei es für März einmalig einen erhöhten Ersatz von 45 Prozent gibt. Der maximal auszahlbare Betrag liegt bei 60.000 Euro im Monat, im März sind es einmalig 80.000. Die überwiegende Mehrzahl der heimischen Gastro-Betriebe sei klein und stoße daher nicht an diese Grenzen an, sagt Pichler. Ein Teil des Ausfallbonus wird für Ersatz der Fixkosten der Unternehmer vergeben.

Der Bonus ist vor allem attraktiv, wenn keine Arbeitskosten anfallen. Im Schnitt kosten Arbeitnehmer Gastronomen ein Drittel ihres Umsatzes. Vor allem im Westen wurden Kellner und Köche in der Pandemie meist gekündigt, sagen Gewerkschafter. Aber auch wer seine Leute in Kurzarbeit schickt, kann in einzelnen Monaten, selbst ohne Lockdown, die Arbeitszeit auf null setzen. Auch hier fallen keine Arbeitskosten an. In diesen Fällen sei der Bonus "schon sehr attraktiv", so Ökonom Pichler.

Den Unternehmen bleiben Fixkosten wie für Miete oder Versicherungen übrig. Für diese gibt es Ersatz mit dem eigens zu beantragenden Fixkostenzuschuss II. Auch hier gibt es aber laut Experten Mechanismen, die zu Inaktivität anregen: Ein Betrieb mit 100-prozentigem Ausfall bekommt seine ganzen fixen Ausgaben ersetzt. Bei 60 Prozent Ausfall sind es 60 Prozent der Fixkosten. Auch hier gibt es jedoch eine Schwelle, erst ab 30-prozentigen Umsatzausfall wird diese Hilfe gewährt.

Martin Halla, Ökonom an der Uni Linz, spricht davon, dass der Staat gemischte Signale aussende: "Er sagt den Wirten, sperrt auf, setzt aber finanzielle Anreize, es nicht zu tun." Die große Frage wird sein, wie sich die Anreizdynamik weiterentwickelt, wenn auch abseits von Vorarlberg die Gastro öffnen kann. Halla plädiert dafür, eine genau Analyse zu erstellen: Welche Betriebe sperren auf und welche lassen zu? Dabei könnten die Daten helfen, ein umfassendes Bild darüber zu bekommen, wo die staatlichen Förderungen dafür sorgen, dass wirtschaftliche Aktivität gar nicht stattfindet. Eine solche systematische Erhebung findet aktuell allerdings nichts statt. (András Szigetvari, 16.3.2021)