Das riesige Relikt aus Gas mit dem Namen Hoinga wurde anhand seiner Röntgenstrahlung entdeckt.

Foto: eROSITA/MPE (X-ray), CHIPASS / SPASS / N. Hurley-Walker, ICRAR-Curtin (Radio)

Mit dem deutschen Röntgenteleskop eRosita haben Astronomen des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) einen riesigen, bisher unbekannten Supernova-Überrest aufgespürt. Das Hoinga genannte Objekt befindet sich weit außerhalb der galaktischen Ebene – dort, wo offenbar bisher kaum jemand nach Überresten explodierter Sterne gesucht hat. Überraschend ist auch der ungewöhnlich große Durchmesser von 4,4 Grad.

Damit bedeckt das stellare Überbleibsel eine Fläche von etwa 90 Vollmondscheiben. "Außerdem liegt Hoinga sehr weit oberhalb der galaktischen Ebene, was für diese Objekte ausgesprochen ungewöhnlich ist", sagte Werner Becker vom MPE.

Bisher konzentrierte sich die Suche nach Supernova-Überresten meist auf die galaktische Scheibe, wo die Sternentstehungsaktivität am höchsten ist und stellare Überreste daher relativ häufig sein sollten. Allerdings scheint es möglich, dass bei dieser Suchstrategie zahlreiche Supernovae übersehen wurden.

Spektakulärer Sternentod

Den Forschern zufolge ist Hoinga – benannt nach der mittelalterlichen Bezeichnung für Beckers Geburtsort Bad Hönningen am Rhein – das größte derartige Sternenrelikt, das jemals aufgrund seiner Röntgenstrahlung entdeckt wurde. Das Objekt ist das Ergebnis einer spektakulären Explosion, mit der massereiche Sterne ihr Leben beenden.

Denn wenn die Fusionsprozesse im Sterninneren nicht mehr genug Energie erzeugen, gerät ein Stern aus dem Gleichgewicht: Die Gravitation gewinnt gegenüber dem Strahlungsdruck die Oberhand, und die stellare Gaskugel kollabiert. Während eine Supernova selbst am irdischen Himmel nur für einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten beobachtet werden kann, lassen sich ihre Millionen Grad heißen Gasfetzen etwa hunderttausend Jahre lang nachweisen.

Jagd nach Supernovae

Etwa 300 solcher Supernova-Überreste sind laut MPE heute bekannt – viel weniger als die 1.200, die in unserer Heimatgalaxie theoretisch existieren sollten. Entweder schätzten die Astrophysiker also die Supernova-Rate bisher falsch ein, oder die große Mehrheit wurde übersehen.

Daher nutzt ein internationales Team nun die Himmelsdurchmusterung des im Juli 2019 ins All gestarteten satellitengebundenen eRosita-Teleskops, um nach bisher unbekannten Supernova-Überresten zu suchen. "Wir waren sehr überrascht, als uns gleich der erste Supernova-Überrest ins Auge gestochen ist", sagte Becker. Nachdem die Astronomen das Objekt in den eRosita-Daten gefunden hatten, suchten sie auch in archivierten Röntgen- und Radiodaten früherer Durchmusterungen nach.

Unerkanntes Objekt

Tatsächlich ist Hoinga – wenn auch nur sehr schwach – bereits in den 30 Jahre alten Daten des deutschen Röntgenteleskops Rosat zu sehen. Wegen seiner Leuchtschwäche und seiner Lage bei hohen galaktischen Breiten fiel das riesengroße, diffuse Objekt jedoch niemandem auf. Weitere wichtige Erkenntnisse und der endgültige Beweis, dass es sich bei der Röntgenquelle um die Überreste eines explodierten Sterns handelt, kamen dann aus Radiodaten.

"Wir sind die Radioarchivdaten durchgegangen, und dieses Objekt hat nur darauf gewartet, entdeckt zu werden", sagte Natasha Walker-Hurley vom International Centre for Radio Astronomy Research in Australien. Von den aktuellen und künftigen Radiodurchmusterungen erwarten die eRosita-Forscher eine Fülle neuer Erkenntnisse. "Wir sind überzeugt, viele der fehlenden Supernova-Überreste zu entdecken und damit zur Lösung dieses langjährigen astrophysikalischen Rätsels beizutragen", sagte Becker. (red, APA, 20.3.2021)