Einsamer Wolf: Der Bestand ist in Österreich wieder rückgängig. Nun sollen genetische Daten einen Überblick über die Wolfspopulationen in den Alpen geben.
Foto: Francesco Panuello / Archivio Aree Protette Alpi Marittime

Es ist eine Wiederkehr, die nicht nur auf Zuspruch stößt: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts starb der Wolf in den Alpen aus; in Österreich wurde er sogar schon Mitte des 19. Jahrhunderts ausgerottet.

Mittlerweile kommt er jedoch durch natürliche Ausbreitung in allen Alpenländern wieder vor – ein Umstand, der erhebliches Konfliktpotenzial birgt. Ein 2019 gestartetes EU-Projekt von vier Alpenstaaten soll künftig ein friedliches Zusammenleben von Wolf und Mensch ermöglichen.

Der Wolf (Canis lupus) war ursprünglich auf der gesamten Nordhalbkugel verbreitet, wurde jedoch in vielen Ländern durch intensive Verfolgung ausgerottet. Erst in den letzten 30 Jahren ist es ihm gelungen, in Teilen seines ehemaligen Verbreitungsgebiets wieder Fuß zu fassen.

Die Gründe für die erfolgreiche Rückkehr liegen einerseits darin, dass die Art mittlerweile in der ganzen EU streng geschützt ist, andererseits aber auch in Änderungen der Landnutzung: In vielen alpinen Gebieten wurde die Almwirtschaft aufgegeben, wodurch ehemalige Weideflächen wieder verwalden.

Widerstand gegen den Wolf

Das mögen sowohl der Wolf als auch seine bevorzugten Beutetiere, nämlich Schalenwild, also Paarhufer wie Rehe, Hirsche und Gämsen. Dass er sich manchmal auch an Nutztieren, allen voran Schafen, vergreift, sorgt für vielerorts erbitterten Widerstand gegen ihn; ebenso die Angst vieler Jäger, dass er die Wildbestände dezimieren könnte.

Unter dem Titel Life Wolfalps EU arbeiten 20 Institutionen in Italien, Frankreich, Slowenien und Österreich daran, einerseits mehr über den Wolf in den Alpen zu erfahren und andererseits Konflikte zwischen ihm und dem Menschen zu verhindern oder zumindest abzuschwächen.

In Österreich haben diese Aufgabe die Veterinärmedizinische Universität (Vetmed-Uni) in Wien und die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft (HBLFA) Raumberg-Gumpenstein in der Steiermark übernommen, unterstützt vom Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs, das wiederum von den Ländern sowie Landwirtschafts- und Klimaschutzministerium getragen wird.

Die Vetmed-Uni ist vor allem mit dem Monitoring des Wolfes und der Prävention illegaler Verfolgung befasst und die HBLFA mit dem Herdenschutz, also dem Schutz von Nutztierherden vor dem Wolf.

Staatenübergreifende Daten

"In dem Projekt sollen das erste Mal die Bestandsdaten aus allen vier Teilnehmerstaaten zusammengeführt werden, m die Wölfe im Alpenraum auf Populationsebene zu erfassen", sagt die Projektmitarbeiterin Theresa Walter von der Vetmed-Uni. Wölfe leben in Rudeln zusammen, die gewöhnlich aus einem Elternpaar und seinen Nachkommen bestehen.

Zum aktuellen Wurf kommen Jungtiere aus dem Vorjahr, die bei der Aufzucht ihrer kleinen Geschwister helfen, indem sie Nahrung für sie hochwürgen oder sie beaufsichtigen, während die Eltern auf die Jagd gehen.

Mit ein bis zwei Jahren verlassen sie die Familie, um sich einen eigenen Partner zu suchen. Dabei können sie mehrere Hundert Kilometer bewältigen. Der Energiebedarf erwachsener Wölfe ist hoch: Um satt zu werden, brauchen sie etwa zwei Kilo Fleisch pro Tag. Allerdings können sie im Notfall auch bis zu zwei Wochen hungern.

Waldviertler Wolfspaar

Geschätzte 80 Wolfsrudel gibt es in Frankreich, rund 50 in den italienischen Alpen und etwa 14 in Slowenien. In Österreich, wo der Bestand laut WWF zuletzt wieder zurückging, gibt es derzeit nur ein Rudel, das – außerhalb der Alpen – auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig im niederösterreichischen Waldviertel lebt. Zwar werden immer wieder einzelne Wölfe auch in den Bergen nachgewiesen, doch ihre Anwesenheit ist durchschnittlich weniger als sechs Monate belegbar.

Mit Ausnahme des Waldviertler Paares, das sich seit 2016 dort regelmäßig fortpflanzt, weisen auch die Tieflandwölfe eine hohe Fluktuation auf: Sie sind durchschnittlich bis zu 13 Monate lang nachweisbar. Auch wurden in Österreich geborene Junge bisher nie wieder außerhalb des elterlichen Territoriums gefunden.

Wohin sie verschwinden, ist ungeklärt: Sie können in Nachbarländer abwandern, wobei viele auch im Straßenverkehr sterben, sie können sich einfach unauffällig verhalten, oder sie können auch illegaler Verfolgung zum Opfer fallen.

Der Nachweis von Wölfen erfolgt in Österreich in erster Linie über genetische Analysen von Speichelproben, wie Theresa Walter erklärt. Diese werden meistens an getöteten Schafen oder Ziegen genommen, zu denen Rissbegutachter des jeweiligen Bundeslandes gerufen werden, um festzustellen, ob der Wolf tatsächlich der Schuldige war (in diesem Fall erfolgt eine Entschädigung). Zu einem deutlich geringeren Teil kommen auch Kotproben und Fotos zum Einsatz.

Österreich als Schmelztiegel

Die Zusammenführung der genetischen Daten aller vier Teilnehmerländer soll einen besseren Überblick über die Wolfspopulationen im Alpenraum ermöglichen. Hierzulande tun sich diesbezüglich besonders spannende Fragen auf, denn "Österreich ist ein Schmelztiegel der Populationen", sagt Theresa Walter.

Hier kommen neben Tieren aus den Westalpen und der mitteleuropäischen Tieflandpopulation auch Exemplare aus dem Dinarischen Gebirge und fallweise aus den Karpaten vor. Unter anderem hoffen Walter und ihr Team, die Herkunft der westalpinen Wölfe auf österreichischem Gebiet genauer aufzuklären.

Zum Schutz des Wolfes vor illegaler Verfolgung sind Schulungen für Polizisten geplant. Dabei soll die Wahrnehmung für diese Art der Umweltkriminalität geschärft werden und vermittelt werden, was es beim Totfund eines Wolfes zu beachten gilt, um die Chancen auf die Ausforschung der Täter zu erhöhen.

Auch ein Spürhund wird der Polizei zur Verfügung stehen: Derzeit ist ein Retrieverrüde in Ausbildung. Er lernt, Giftköder zu erschnuppern, auch wenn das bis jetzt in Österreich noch kein Thema ist.

Unterstützung von Nutztierhaltern

Zur Unterstützung von Nutztierhaltern sollen an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein drei Notfallteams ausgebildet werden. Diese sollen im Fall von Wolfsschäden an Nutztieren innerhalb weniger Stunden vor Ort sein und die betroffenen Landwirte durch Herdenschutzmaßnahmen unterstützen, wie etwa durch die Errichtung kurzfristiger Zäune oder Nachtpferche.

"Vor allem bei einer kontrovers wahrgenommenen Art wie dem Wolf ist es wichtig, das jeweilige Gegenüber in seiner Sichtweise abzuholen und zu schauen, welche Möglichkeiten es gibt", sagt Walter und fügt hinzu: "Jede Veränderung ist ein langer Prozess, aber vielleicht sollten wir weniger Energie darauf verwenden, aufzuzeigen, was nicht geht, und mehr darauf, was wir schaffen können." (Susanne Strnadl, 21.3.2021)