Tauscht die Regierungsbank mit einem Chefsessel im Wahlkampfbüro aus: Pablo Iglesias.
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Überraschung in Spanien: Pablo Iglesias, Chef der linksalternativen Unidas Podemos (UP), legt sein Amt als spanischer Vizepremier nieder, um seine Liste bei den vorgezogenen Neuwahlen in der Hauptstadtregion Madrid anzuführen. "Ein Parteimitglied muss da sein, wo er in jedem Moment am nützlichsten ist", erklärte Iglesias – bisher in einer Koalition mit dem sozialistischen Regierungschef Pedro Sánchez – in einem Video, aufgenommen in seiner Amtsstube.

Er wolle helfen, eine erneute Rechtsregierung zu verhindern, begründete er seinen Entschluss. Aber alle wissen: Es geht ihm um viel Profaneres, denn er will den endgültigen Untergang seiner Formation in Madrid verhindern. Denn das wäre nach einer Reihe schlechter Wahlergebnisse wohl auch das baldige Aus auf nationaler Ebene.

Umfragen prophezeiten UP ohne Iglesias an der Spitze ein Scheitern an der Fünfprozenthürde. Bereits vor zwei Jahren war es mit 5,6 Prozent denkbar knapp. Die linksalternativen Wähler hatten sich umorientiert und waren zur neuen regionalen Formation Más Madrid (Mehr Madrid) abgewandert. Más Madrid entstand rund um die ehemalige Nummer zwei von Podemos, Iñigo Errejón, dessen Lager Iglesias nach und nach aus der Partei drängte, nachdem er den Zusammenschluss mit der postkommunistischen Vereinigten Linken zu Unidas Podemos herbeigeführt hatte.

Achterbahnfahrt

Iglesias' Ankündigung vom Montannachmittag ist das vorerst letzte einer ganzen Reihe von Ereignissen, die Spaniens Politik in nur einer Woche zu einer regelrechten Achterbahnfahrt haben werden lassen. Alles begann vergangenen Mittwoch, als die Madrider Regierungschefin Isabel Díaz Ayuso, die seit 2019 mit einer Koalition ihres Partido Popular (PP) und den rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) und der parlamentarischen Unterstützung durch die rechtsextreme Vox regiert, das Regionalparlament überraschend auflöste.

Es war eine Panikreaktion, nachdem in der südspanischen Region Murcia eine ähnliche Koalition auseinandergefallen war. Dort reichten die Sozialisten einen Misstrauensantrag ein; die Rechtsliberalen kündigten an, diesen zu unterstützen. Ayuso befürchtete, dass ihr in Madrid ein ähnliches Schicksal blühen könnte. Jetzt steigt Ayuso in den Umfragen, während die Cs und die UP um den erneuten Einzug ins Regionalparlament bangen müssen.

Absetzbewegung

Seit dem Schwenk in Murcia und dem Zerfall der Regierung in Madrid vergeht kein Trag, an dem nicht irgendwelche namhaften Mitglieder die Cs in Richtung PP verlassen. Sie sehen bei den Rechtsliberalen keine politische Zukunft mehr. Bei den Wahlen zum spanischen Parlament vor etwas mehr als einem Jahr verloren die Cs drei Viertel der Abgeordneten, bei den Regionalwahlen in Katalonien im Februar 30 der 36 Sitze. Dies ist nicht zuletzt dem Kurswechsel der letzten Jahre von der Mitte nach rechts zu verdanken.

Ayuso kommt Iglesias' Entscheidung zu kandidieren recht. Statt mit Más Madrid und den Sozialisten über die verpatzte Covid-Politik zu debattieren, sucht sie den Streit mit Iglesias. "Kommunismus oder Freiheit" laute die Entscheidung am 4. Mai. Diese Zuspitzung soll das rechte und ultrarechte Lager für sie mobilisieren. (Reiner Wandler aus Madrid, 16.3.2021)