Der Umsatz des stationären Einzelhandels brach in Wien zwischen Jänner und November 2020 stärker ein als in allen andern Bundesländern. Im Vergleich zum Vorjahr ging der Umsatz um 6,7 Prozent zurück.

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Wien – Alexander Biach bemüht eine Metapher, um anschaulich zu machen, wie es Klein- und Kleinstunternehmen in Wien nach einem Jahr Pandemie geht: Die Wirtschaft ist mit dem Virus infiziert, der PCR-Test hat soeben positiv ausgeschlagen. Aber die schweren Symptome, die kommen erst.

Biach ist stellvertretender Direktor der Wiener Wirtschaftskammer (WKW) und sieht eine Insolvenzwelle auf die Hauptstadt zurollen. Spätestens wenn die gestundeten Sozialversicherungs- und Steuerzahlungen fällig sind, werden viele kleinere Betriebe zusperren müssen, fürchtet er. Und das dürfte einen Rattenschwanz an juristischen Auseinandersetzungen nach sich ziehen.

Denn Geschäftsführer haften für Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge, wenn Stundungen beantragt wurden, obwohl die Insolvenz bereits absehbar war. Auch gegenüber Gläubigern gibt es eine Geschäftsführerhaftung, wenn ein Insolvenzverfahren etwa nicht rechtzeitig eröffnet wird.

Im Handwerk waren die Auftragsbücher auch während der Krise gut gefüllt. Auch selbständige IT-Dienstleister oder Unternehmensberater kamen gut über die Runden. Massive Einbrüche gab es dafür im Einzelhandel, bei körpernahen Dienstleistern, bei Reiseführern und im Taxigewerbe.
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Frage der Rückzahlung

Die Frage, die laut Biach auch Gerichte vermehrt beschäftigen wird, dürfte lauten: Konnte der Geschäftsführer bei der Beantragung der Stundung abschätzen, ob die Beträge jemals zurückgezahlt werden können? Wichtig sei eine genaue Dokumentation der wirtschaftlichen Situation, erklärt der Kammermann. Viele Betriebe hätten Stundungen als Überbrückung beantragt – und dann mangels Perspektive immer wieder verlängert.

Am stärksten dürften Insolvenzen in Wien körpernahe Dienstleister wie Friseure, aber auch Betriebe im Taxigewerbe treffen, heißt es bei der Kammer. Aber auch in anderen Branchen werden Unternehmen verschwinden. Es gab aber auch Branchen, die in der Krise ein gutes Geschäft machten: Rahmenmacher sind ein Beispiel, aber auch Handwerker. Die Menschen gaben weniger für Freizeitaktivitäten aus, dafür machten viele ihr Zuhause schöner.

Handel leidet

Stark eingebrochen sind in der Hauptstadt der stationäre Einzelhandel und die Gastronomie. Überhaupt würden viele Geschäfte unter der stark zurückgegangenen Passantenfrequenz leiden – einerseits fehlen und fehlten die Wiener in den Einkaufsstraßen, aber auch der ausgebliebene Tourismus macht sich in den Umsätzen von Händlern und Dienstleistern bemerkbar.

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Rahmenmacher gehören zu den Krisenprofiteuren in Wien. Überhaupt machten Innenausstatter ein gutes Geschäft in der Krise – die Leute gaben zwar weniger für Restaurants und Freizeit aus, dafür investierten sie mehr Geld ins eigene Zuhause.
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Auch weil das Ende der Pandemie auf sich warten lässt, startet die Kammer mit April Beratungen für mittlere, kleine und Einpersonenbetriebe, die helfen sollen, das eigene Geschäftsmodell an das Leben mit – oder nach – Corona anzupassen. Die ersten vier Beratungsstunden sind gratis, zehn weitere werden von der Kammer gefördert.

Geld kommt auch von der Stadt Wien. Die Wirtschaftsagentur Wien fördert Investitionen von mindestens 3000 Euro in die Anpassung des Geschäftsmodells mit bis 40 Prozent. Der Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds übernimmt 80 Prozent der Kosten für unternehmerische Qualifizierung – für beide Töpfe gilt jedoch eine Obergrenze bei den förderbaren Investitionen. In Wien gibt es rund 48.400 Klein- und Mittelbetriebe und mehr als 65.000 Einpersonenunternehmen.

Arbeitsmarkt am Dienstag

Am Arbeitsmarkt gab es österreichweit eine leichte Entspannung. Derzeit sind 393.500 Menschen ohne Job und 75.000 in Schulung – das entspricht einem Rückgang um 12.000 im Wochenvergleich. 33,5 Milliarden Euro an Corona-Hilfen sind bereits ausbezahlt oder verbindlich zugesagt worden, wie Regierungsmitglieder in der alldienstäglichen Pressekonferenz zu Standort und Beschäftigung mitteilten. (luis, 17.3.2021)