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Er behält die Übersicht: Franco Foda.

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"Es wird alles noch turbulenter", sagt ÖFB-Boss Windtner.

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Wien – Österreichs Teamchef Franco Foda hat am Dienstag den größten Kader seiner bisherigen und wohl auch künftigen Karriere bekannt gegeben, er umfasst 43 Spieler. Grund für dieses Massenaufgebot ist die Tatsache, dass die Legionäre aus Deutschland, diesmal 19 an der Zahl, den WM-Qualifikationsauftakt am 25. März in Glasgow gegen Schottland aufgrund der Quarantänebestimmungen nicht bestreiten dürfen. Ein Aufenthalt in Großbritannien hätte in Deutschland eine 14-tägige Isolation zur Folge (britische Mutation!), also wurden die Vereine von der Abstellungspflicht entbunden.

Die beiden Partien in Wien gegen die Färöer (28. März) und drei Tage später gegen Dänemark dürfen David Alaba und Co beehren, Corona stellt eben eigene Regeln auf. Vier Kicker sind erstmals dabei, die drei Rapidler Dejan Ljubicic, Yusuf Demir und Ercan Kara sowie David Nemeth von Sturm Graz. Details gibt Foda am Freitag bekannt.

An Kara zeigte zuletzt auch der türkische Verband Interesse, der Stürmer entschied sich nun aber für den ÖFB. "Es ist mir eine Ehre, für Österreich spielen zu dürfen", lautete die erste Reaktion des 25-Jährigen.

ÖFB-Präsident Leo Windtner moniert im Gespräch mit dem STANDARD "eine komplette Wettbewerbsverzerrung. Der sportliche Wert ist relativiert. Man zahlt einen hohen Preis." Eine Absage war für den Weltverband Fifa keine Option, die extrem umstrittene WM 2022 in Katar muss besetzt werden. Windtner: "Man kann nur abnicken, da gibt es keine Kompromisse, die ziehen das durch. Und wir müssen da durch, alles schlucken." Entscheidend sei im Fußball: "Qualifizierst du dich, oder qualifizierst du dich nicht? Wie etwas zustande kommt, wird rasch vergessen."

Kein Boykott

Ein Ende der Corona-Pandemie sei nicht in Sicht, im Gegenteil. "Es wird alles noch turbulenter." Die norwegischen Klubs haben dem nationalen Verband nahegelegt, die WM zu boykottieren. Die österreichischen Vereine werden das nicht tun. Was liegt, das pickt, über die Moral könne man, so Windtner, diskutieren. "Die ganze Welt hat ein Moralproblem, der Sport gehört dazu. Der Mensch verkommt zur Maschine, wird Mittel zum Zweck."

Die Champions League soll von 32 auf 36 Klubs aufgestockt werden, bei Windtner sorgt das für Kopfschütteln. "Die Spielpläne sind jetzt schon zu dicht und jenseits der Vernunft." Da er nicht zur Spezies der Naiven gehört, ist ihm klar: "Es geht ums Geld." In knapp drei Monaten beginnt die paneuropäische EM. Die Uefa hält stur an dem Plan fest, in zwölf Ländern (Städten) zu spielen. Windtner: "Mir ist nichts Gegenteiliges bekannt."

Abhängig von der Corona-Entwicklung

Mitte April soll entschieden sein, ob und wie viele Zuschauer in die Stadien dürfen. Das hängt logischerweise von der Corona-Entwicklung ab. Der ÖFB-Boss weiß ein bisserl mehr. "Momentan sind bei den Gruppenspielen nur Fans aus dem Gastgeberland vorgesehen." Am 13. Juni startet Österreich in Bukarest gegen Nordmazedonien, die Begeisterung der gemeinen Rumänin und des gemeinen Rumänen dürfte sich in Grenzen halten. Es droht ein leicht entschärftes Geisterspiel. Windtner: "Bei den K.o.-Spielen gibt’s andere Überlegungen, da sind eine bestimmte Anzahl von Fans der zwei Teams vorgesehen. Aber das kann sich rasch ändern."

Weit mehr Sorgen bereitet Windtner die Lage im Amateurbereich, immerhin ist der Fußballbund der größte Sportverband im Lande. Vor genau einem Jahr begann der erste Lockdown, seither ist Sperrstunde für alle, Bundesliga ausgenommen. Windtner: "Ein massiver Schaden. Wirtschaftlich geht es dem ÖFB noch ganz gut. Corona hinterlässt eine Delle, keine Lücken."

Bewegungsverbot

Obwohl seit Montag Kinder und Jugendliche im Freien wieder ein bisserl Fußballspielen dürfen (Mindestabstand zwei Meter), wird das lange "Bewegungsverbot" Spuren, ja Krater hinterlassen. "Bis zu 30 Prozent der Jugendlichen fallen weg. Vom gesundheitlichen Aspekt her ein Wahnsinn. Und ehrenamtliche Funktionäre werden aufhören."

Der Ausflug nach Glasgow, den Windtner "in der Blase" mitmacht, sei im Vergleich dazu harmlos. "Er ist nur eine Wettbewerbsverzerrung." Wobei man angesichts der Umstände gar nicht so viel zu verlieren habe. "Wir können nur gewinnen." Natürlich auch gegen die Färöer und gegen Dänemark. (Christian Hackl, 16.3.2021)