Rotorblätter brauchen die kleinen Windkraftwerke keine, um Strom zu erzeugen. Allein die Vibration genügt.

Foto: Vortex Bladeless

Die Windkraft hat es in Österreich und auch anderen Ländern nicht immer leicht. Gigantische Windparks und riesige Rotorblätter erwecken bei Anrainern wenig Freude. Viele wollen keine Windanlage vor der eigenen Haustüre stehen haben. Einige Tierschützer kritisieren die Auswirkungen, die die drehenden Propeller auf Vögel haben sollen. Und Ingenieuren macht die zunehmende Größe und das Gewicht von einigen immer leistungsfähigeren Anlagen zu schaffen.

Eine spanische Firma will nun mit einigen dieser Nachteile aufräumen. Seit ein paar Jahren entwickelt das Unternehmen Vortex Bladeless Windkraftanlagen, die ohne Rotorblätter auskommen und in viel kleinerer Ausführung gebaut werden sollen. Erste Prototypen haben mit traditionellen Windanlagen wenig gemeinsam: Stattdessen sehen sie aus wie längliche Statuen oder Säulen. Die Konstruktion ist nur drei Meter hoch und fest im Boden verankert. Durch den Wind wird der obere Teil der Anlage in Schwingungen versetzt und soll dadurch Strom erzeugen.

Markantes Design

Für Laien sieht das alles ein wenig skurril aus. Tatsächlich ist auf Online-Plattformen bereits eine breite Diskussion über die Technologie entbrannt. Nicht wenige erinnert das Design an einen überdimensionierten Vibrator.

So soll die Anlage aussehen.
Vortex Bladeless Wind Power

Idee von Brückeneinsturz

Die Idee für das Konzept hatte David Yáñez, einer der Gründer des Unternehmens, während seiner Studienzeit. Damals beschäftigte sich der Ingenieur mit dem Zusammenbruch der Tacoma-Narrows-Brücke in Washington im Jahr 1940. Der Wind hatte die Brücke in immer stärkere Vibrationen und Schwingungen versetzt, bis diese daraufhin einstürzte. Yáñez begann zu überlegen, wie die Energie der Schwingungen genutzt werden könnte.

Genau diese Vibrationen macht sich nun das kleine Windkraftwerk zunutze. Laut dem Unternehmen liegen die Vorteile eines solchen Systems darin, dass es ohne Getriebe und andere mechanische Teile auskommen und dadurch billiger in der Herstellung und Wartung sowie langlebiger sein soll. Insgesamt sollen die Anlagen Strom um 40 Prozent günstiger erzeugen können als traditionelle Windräder.

Dezentrale Stromversorgung

Die kleinen Windkraftwerke würden zwar weit weniger Strom produzieren als herkömmliche, könnten dafür in anderen Bereichen eingesetzt werden, so die Entwickler: Nämlich vermehrt in Städte und Wohngegenden, wo ansonsten kein Platz für große Windparks wäre. Außerdem sollen die Anlagen keine Gefahr für Vögel oder andere Tiere darstellen und sehr leise sein.

Bewohner sollen mithilfe der Anlagen neben der Photovoltaik auch bald ihren eigenen Windstrom erzeugen können. Die Windenergie wäre laut Yáñez auch eine gute Ergänzung zu Solar, da Photovoltaikanlagen Strom am Tag produzieren, während Windstärken in der Nacht tendenziell stärker seien. Mehrere der Türme ließen sich beispielsweise auf dem Land zu einem kleinen Windpark zusammenschließen. Ein einzelner kleiner Turm soll demnach rund 300 Euro kosten und 100 Watt liefern, rund 20.000 Mal weniger als ein herkömmliches Windrad. In Zukunft will das Unternehmen aber auch höhere Anlagen von über hundert Metern und einem Megawatt Leistung entwickeln.

Auch Skepsis

Trotzdem stehen der Idee einige skeptisch gegenüber. Die Anlagen von Vortex seien weniger effizient darin, Windenergie aufzunehmen und zu Strom zu machen, so Kritiker. Werden die Anlagen höher und größer, würden auch die Windstärken mehr variieren und die Stromproduktion geringer ausfallen. Auch die Behauptung, wonach die Anlagen dann immer noch sehr leise wären, stellen einige Experten infrage.

Das norwegische Energieunternehmen Equinor hat Vortex jedenfalls bereits zu einem der zehn interessantesten Start-ups im Energiebereich ernannt. Mehrere Millionen Dollar konnte Vortex in den vergangenen Jahren von privaten Investoren und der Regierung einsammeln. In den nächsten zwei bis drei Jahren will man mit der Serienproduktion der Windanlagen starten. Auch die Begeisterung der Online-Community ist dem Unternehmen ob des Designs jedenfalls schon einmal gewiss. Stellt sich nur noch die Frage, ob sich Anrainerinnen und Anrainer die Säulen eines Tages auch tatsächlich vor die Haustüre stellen würden. (Jakob Pallinger, 17.3.2021)