Piräus soll der größte Mittelmeer-Umschlagplatz werden: Der Einstieg in den griechischen Containerhafen wurde zum Symbol der Seidenstraßen-Initiative Chinas.

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Bisher war die globale Logistikbranche von Trends wie Digitalisierung und E-Commerce, einer Zunahme der Komplexität der Lieferketten und dem notwendigen Umbau in Richtung Nachhaltigkeit geprägt. Vor gut einem Jahr kam ein weiterer bestimmender Faktor dazu – die Corona-Pandemie.

Auf der einen Seite gingen vielerorts Wirtschaftsleistung und Handelsvolumina zurück – mit entsprechenden Folgen für die Logistik–, auf der anderen Seite gehört aber auch die Transportwirtschaft zu den systemrelevanten Dienstleistern, die auch in Lockdowns zu einer aufrechten Grundversorgung beitragen.

Gerade China als Wirtschaftsmacht, die wie in fast allen Bereichen auch in der Logistik auf der Überholspur ist, konnte – auch dank seiner autoritären Strukturen – vergangenes Jahr sehr schnell wieder an frühere Kapazitäten anschließen. Damit stellt sich auch die Frage: Hat sich das globale Kräfteverhältnis in der Transportwirtschaft durch die Krise maßgeblich gewandelt?

Stimmung abgefragt

Andreas Breinbauer ist Rektor der FH des BFI Wien, leitet hier die Studiengänge zu Logistik und Transportwirtschaft und forscht auch in diesem Bereich. Vor der Pandemie hat er mit Kollegen in zwei Studien, einerseits mit der Wirtschaftskammer Wien, andererseits mit dem Verein Netzwerk Logistik, auch die Stimmung heimischer Transportunternehmer hinsichtlich Chinas und der Länder entlang der "Neuen Seidenstraße" abgefragt – also der Länder Asiens, die von Infrastrukturprojekten im Rahmen der großangelegten Belt and Road Initiative (BRI) Chinas geprägt sind.

Hier waren die heimischen Logistiker etwa noch deutlich optimistischer als Vertreter der Industrie. "Die Transportdienstleister sahen in diesen Studien ihre Chancen in diesen Regionen deutlich besser", resümiert Breinbauer. "Generell kristallisierte sich die Logistik ganz klar als jene Branche heraus, die am meisten von den Belt-and-Road-Aktivitäten Chinas profitieren wird."

Keine geografischen Einschränkungen

Wobei man die BRI längst nicht auf Logistikprojekte im asiatischen Raum einschränken sollte. "Mittlerweile gibt es keine geografischen oder thematischen Einschränkungen mehr. Ziel der Kooperationen sind etwa auch Länder in Lateinamerika oder Afrika, und auch Projekte im Smart-City-Bereich oder in der Gesundheit gehören dazu. Forciert werden sechs Kooperationsfelder, die Infrastruktur ist nur eines davon", erklärt Breinbauer, der sich bereits in einer Reihe von Arbeiten mit Chinas Außenstrategie beschäftigt hat.

Dem Land geht es dabei auch darum, seine Einflusssphäre zu erweitern – Politik und Wirtschaft gehen immer Hand in Hand. Breinbauer: "Man zielt etwa darauf ab, der Währung oder Standards im technischen oder juristischen Bereich eine stärkere Geltung zu verschaffen. Kritiker bemängeln, dass China bei vielen BRI-Projekten der größere Profiteur ist." Dazu passen auch die Ergebnisse seiner Unternehmerbefragung in Österreich: Man wünscht sich mehr Transparenz und Fairness in den China-Beziehungen – etwa geringere Beschränkungen bei Investitionen in China.

Bahn als Gewinner

Die Pandemie veränderte diese Verhältnisse nicht grundsätzlich. Dennoch gab es eine Reihe von Entwicklungen, die der Krise geschuldet sind – beispielsweise in der Aufteilung der Transportmodi. "2020 hat der Bahnverkehr zwischen China und Europa um 50 Prozent zugenommen. Fast im Monatstakt kamen neue Verbindungen dazu", sagt Breinbauer.

Auch die Luftfracht ist stark gestiegen. Das liegt nicht nur daran, dass China trotz Pandemie 2020 ein Wachstum erwirtschaften und sogar Handelsvolumina und Exporte nach Europa steigern konnte, sondern auch an einer "Verknappung der Transportsubstrate", wie der Experte betont: "Die Reeder haben beim Einbruch der Transporte im Februar 2020 Schiffskapazitäten herausgenommen, um die Fixkosten zu senken. Zudem herrscht bis heute ein Mangel an Containern, weil diese damals – und teilweise heute noch – an den ,falschen‘ Orten gestrandet sind." Das alles führte zu massiven Preiserhöhungen im Logistikbereich, gleichzeitig auch zu Chancen für Logistiker, die gute Alternativen bieten können.

Enorme Lieferverzögerungen

Die teils enormen Lieferverzögerungen durch die China-Lockdowns Anfang 2020 haben auch Auswirkungen auf die Strategien von Supply-Chain-Managern in der Industrie. In den Unternehmen wurde ein Nachdenkprozess angestoßen, so Breinbauer: Der Trend geht hin zu mehr Sicherheit, höheren Lagerständen, Risikostreuung durch mehrere – und aus der eigenen Region stammende – Lieferanten und mehr Transparenz in der Logistik.

"Die ganz große Umorientierung sehe ich zwar noch nicht. Doch es gibt eine Bewegung, das Supply-Chain-Management deutlich intensiver zu betreiben", sagt Breinbauer.

Punkto Regionalisierung gibt es auch abseits der Pandemie drei große unterstützende Trends. Da ist zum einen eine verstärkte Konzentration Chinas auf den "inneren Kreislauf", also auf Lieferketten im eigenen Land. Zum anderen haben die USA unter Präsident Trump versucht, das Land von Globalisierungsbewegungen abzukoppeln, was auch sein Nachfolger Joe Biden nicht ungeschehen machen kann.

Zudem wird die EU mit dem geplanten Lieferkettengesetz, das Ökologie- und Menschenrechtsstandards in ganzen Supply-Chains durchsetzen soll, die Gestaltung der Lieferketten beeinflussen.

Befindlichkeiten abbauen

Für die Folgen der Corona-Pandemie in der Logistik gilt wohl Ähnliches wie für die Wirtschaftsleistung insgesamt: "Ich denke, dass China den Abstand zu Europa und den USA während der Krise ausbauen konnte", sagt Breinbauer.

"Das zunehmende Handelsvolumen hat auch Einfluss auf die Gestaltungsmacht im Logistikbereich." Europas Transportwesen, das für hohe Qualität bekannt ist, sei auch bei Innovationen nicht maßgeblich hintennach, so der Experte. "Was fehlt, ist die Skalierbarkeit. Auch in der Logistik müssen nationale Befindlichkeiten abgebaut werden, um das geeinte Europa besser nützen zu können." (Alois Pumhösel, 17.3.2021)