Beziehungsprobleme, weil nur die Hälfte des Liebespaares Cybersex gut findet: Felix Rank und Johannes Schüchner.

Nela-Valentina Pichl

Auto, Handrührgerät, Telefon. Maschinen bestimmen unser Leben. Und mit der digitalen Revolution haben sie sich arg vermehrt. Alles ist jetzt smart, die Heizung schaltet sich ein, während wir noch in Buxtehude sind. Angenehm. Aber es kann schnell unangenehm werden. Yael Ronen und Dimitrij Schaad haben die Entwicklung weitergedacht und ein krasses Zukunftsstück geschrieben. Es basiert auf 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert des Historikers Yuval Noah Harari und führt in eine erschreckend nahe Zukunft: 2040.

(R)Evolution feiert nach der Uraufführung am Thalia-Theater Hamburg im Vorjahr nun österreichische Erstaufführung, online versteht sich. Regisseurin Sandra Schüddekopf hat das Setting im Theater Drachengasse ganz auf eine filmische Präsentation zugeschnitten. In einer nur noch projizierten Welt aus metallisch-grau-blauen Stoffbahnen (Bühne: Martina Mahlknecht) plant ein Paar (Zeynep Buyraç, Sebastian Wendelin) die Geburt seines Kindes. Ein weiteres Paar (Felix Rank und Johannes Schüchner) klärt Beziehungsprobleme. Und eine Frau (Maddalena Hirschal) hat Depressionen.

Mutters Stimme

So weit können wir noch mithalten. Aber dann kommt Alecto. Der Name ist Programm. Wird doch in der Mythologie eine Rachegottheit so genannt, die für das Säen von Wahnsinn und die Umsetzung von Verfluchungen zuständig war. Anstatt furiengleich zu fuhrwerken, tritt Alecto aber als entspannte Computerstimme in Erscheinung, die 2040 offenbar in keinem Haushalt fehlt und als zentraler Datenspeicher fungiert. Vom Auffüllen des Kühlschranks bis zum Freundinnengespräch reicht sein/ihr Programm. Vermutlich bekommt man ohne Alecto gar keinen Mietvertrag mehr!

In Close-ups und Weitwinkeleffekten tastet die Inszenierung sämtliche biotechnologische Errungenschaften ab: Erbgutoptimierung, Cybersex (mit und ohne Partner), Auswertung der Bürgerdaten. Sibylle Bergs Überwachungsvision GRM. Brainfuck lässt grüßen.

Befehl vom Bett

Ein Gruselstück mit Farce-Elementen, das auch als Futuristenklamotte taugt: Der Kühlschrank wurde beispielsweise einmal hinterhältig auf die Stimme der Mutter programmiert. Aller Luxus hilft indes nichts. Trotz Hightech-Krebspräventionsmedizin ist die Lebenserwartung auf 50 Jahre geschrumpft: Klimakatastrophe.

Die Rachegottheit hat ganze Arbeit geleistet. Das Scheusal Mensch liegt darnieder. Es macht Vergnügen, dem gesteigerten Horror zu folgen. Das Allerbeste: Irgendwann hat das Bett beschlossen, dass vor dem Schlafengehen nicht mehr ferngesehen werden darf. Zu unruhig sei sonst der Schlaf! (Margarete Affenzeller, 17.3.2021)