Martin Kocher hat eine Debatte über Teilzeit angestoßen. Der neue Arbeitsminister will Frauen in mehr Vollzeitjobs hieven und sieht Handlungsbedarf im Abgabensystem ebenso wie in der Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen. Kocher spricht ein wichtiges Thema an: die Anreizwirkung von Abgaben. Es spielt vielfach eine Rolle, dass das Übertreten der Geringfügigkeitsgrenze, bis zu der keine Sozialbeiträge anfallen, das Stundenausmaß der Erwerbstätigkeit drückt. Ebenso stellt der Sprung von der Steuerfreigrenze bei 11.000 Euro Jahreseinkommen auf 20 Prozent und dann bei der nächsten Tarifstufe auf 35 Prozent einen Hemmschuh für mehr Arbeit und Nettolohn dar.

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat eine Debatte über Teilzeit angestoßen.
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Die Zusammenhänge sind allerdings keineswegs trivial. In Österreich wurden untere Einkommensschichten bewusst entlastet – aus zwei guten Gründen: erstens, damit Menschen mit wenig Lohn nicht durch übermäßige Abgaben an den Staat zusätzlich belastet werden; zweitens, um den Anreiz zu erhöhen, eine offene Stelle anzunehmen. Die Kehrseite der Medaille: Das Absenken der Abgaben im unteren Einkommensbereich macht die Kurve von Steuern und Sozialbeiträgen mit steigendem Verdienst steiler. Und das reduziert automatisch die Motivation, das Beschäftigungsausmaß anzuheben.

Abgabenlast

Diese negative Anreizwirkung kann durch diverse Sozialleistungen noch verstärkt werden, wenn diese wegen zu hohen Einkommens verlustig gehen. Ein Rezept gäbe es natürlich dagegen: Die Abgaben insgesamt zu reduzieren, zumindest bis zu einem durchschnittlichen Verdienst. Je niedriger die Abgabenlast, desto mehr lohnt sich zusätzliche Erwerbstätigkeit.

Bleibt die Frage, wie ein derartiger Umbau finanziert werden soll. Ein Fahrplan wäre ein erster Schritt. Der könnte mehrere Punkte betreffen: Die steuerliche Begünstigung von Überstunden motiviert meist Männer zu Mehrarbeit und erhöht den Druck auf die Partnerin, sich noch stärker der Kinderbetreuung zu widmen; der Alleinverdiener-Absetzbetrag reduziert Anreize, dass Frauen Jobs annehmen; und, und, und.

Es spricht viel dafür, dass Kocher in diesen Fragen aktiv wird. Allerdings muss erwähnt werden, dass steuerliche Wirkungen bestenfalls eine Teillösung des gesamten Problems darstellen. Ein Teilzeitanteil von 47 Prozent bei Frauen ist vor allem die Folge eines veralteten Rollenbildes, das die Gesellschaft wie den Arbeitsmarkt prägt. (Andreas Schnauder, 17.3.2021)