Wem gehören meine Daten? Die Digitalisierung wartet mit so manchen ungeklärten Problemen auf. Nicht alle sind sofort erkennbar.

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Wenn künftig vollautomatisierte Mähdrescher die Felder ernten, wem gehören dann die gesammelten Daten zum Verhalten der Technik während ihres Einsatzes, zur Bodenbeschaffenheit, zum Zustand der geernteten Feldfrüchte?

Dem Hersteller der Maschinen, ihrem Betreiber – der die Erntedienstleistung an den Landwirt verkauft – oder dem Bauern, dem das Feld gehört? Wie kann einem Düngemittel- oder Pestizidhersteller, der das Verhalten seiner Produkte in der Praxis erheben will, Zugang geboten werden? Wie Naturschützern, die Angst haben, dass die Effizienzoptimierung zulasten von Biodiversität und Nahrungsmittelqualität geht?

Mit der weiteren Ausgestaltung der Digitalisierung kommt eine Unzahl heikler Fragen auf die Gesellschaft zu, nicht nur im Agrar-, sondern ebenso im Gesundheitsbereich, in der Mobilität oder in der Organisation von Unternehmen. Man muss lernen, mit dem kommunikativen Raum der sozialen Medien besser umzugehen und digital ermöglichte Desinformation, Manipulation und Kriminalität zu unterbinden.

In der Entstehungsphase unbemerkt

Viele dieser Risiken und Nebenwirkungen der Digitalisierung bleiben in ihrer Entstehungsphase unbemerkt. Man begegnet ihnen erst, wenn der Schaden schon passiert ist, und sucht dann nach besseren Strategien. Ein Projekt im Bereich der Nachhaltigkeitsforschung hat sich in den vergangenen Jahren der Aufgabe gestellt, Risiken, Zielkonflikte und unbeabsichtigte Phänomene der Digitalisierung aufzuzeigen und zu systematisieren.

In dem Projekt "Forming a Responsible Use of Digital Data in Transdisciplinary Process" (Didat), an dem Vertreter der Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, ist dabei von "Unseens", also noch ungesehenen Entwicklungen, die Rede. Kürzlich wurde im Rahmen einer Online-Konferenz das Produkt der Projektarbeit, das "Didat Weissbuch", vorgestellt.

Transdisziplinärer Prozess

Die Leitung von Didat hatten Ortwin Renn vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) Potsdam, Roland Scholz, der sowohl am IASS Potsdam als auch an der Donau-Universität Krems tätig ist, Markus Beckedahl von der PlattformNetzpolitik.org als Vertreter der Zivilgesellschaft und Stephan Noller vom Bundesverband Digitale Wirtschaft in Deutschland, der die Perspektive der Ökonomie vertritt.

Das Transdisziplinäre Laboratorium Sustainable Digital Environments der Donau-Universität Krems war beim Didat-Projekt für die Gestaltung des transdisziplinären Prozesses zuständig, bei dem sich Theorie und Praxis auf Augenhöhe begegnen.

Hintergrund des Projekts sind auch die Defizite Europas in der Digitalisierung. In einem dem Projekt vorausgehenden Expertenpanel hieß es sinngemäß, dass Deutschland und ganz Europa die Beziehungen zwischen Besitz, Ökonomie, Zugang und Verwendung von digitalen Daten nicht richtig verstanden hätten.

In der Debatte war man sich einig, dass heute, in der Pionierzeit der Digitalisierung, die gewohnten Regeln des Industriezeitalters nicht mehr greifen. Man müsse eine Adaptionsfähigkeit entwickeln. In dem Weißbuch wird die dementsprechende Vulnerabilität identifiziert und es soll, so Projektkoordinator Scholz, langfristige "sozial robuste Orientierungen" gegeben werden.

Digitale Repräsentation

Sinnbild für die neue Ära ist der "digitale Zwilling", die digitale Repräsentation unserer Welt, die weit über eine Simulation hinausgeht. Die Algorithmen schaffen demnach eine "datenbasierte Rückkopplung, die in Echtzeitsynchronisation die Überwachung, Diagnose, Steuerung und Vorhersage von Systemen ermöglicht. Die gilt für Maschinen und zunehmend für den Menschen", definiert Scholz die Absichten. Gleichzeitig gehören zur digitalen aber nicht nur technische, sondern auch ökonomische Transformationen und eine Wandlung der Mensch-Umwelt-Beziehungen.

Der Landwirt managt in einer digitalisierten Ökonomie auf Basis verschiedener Services – von der Satellitendatenauswertung zur Bodenbeschaffenheit bis zur Ernte durch Hightech-Maschinen – die Herstellung eines Grundnahrungsmittels. Seine Rolle wandelt sich damit, er muss sich in eine neu geordnete Wertschöpfungskette fügen, betont Scholz. Ähnlich ist es bei Klein- und Mittelbetrieben. Sie sind nun weniger Gestalter eines Wirtschaftsbereichs, sondern lediglich ein ausführendes Element in übergeordneten Produktionsnetzwerken.

Datengetriebene Wirtschaft

Klar ist, dass die Wirtschaft der Zukunft maßgeblich datengetrieben sein wird. Datensouveränität zu regeln – im Moment kann man sich nicht sicher sein, volle Gewalt über seine Daten zu haben – sei die Herausforderung des Jahrzehnts. Die Organisation von Social Media benötige dagegen Schnittstellen zu Politik, Justiz und Zivilgesellschaft.

Und die Plattformökonomie muss letztendlich auch in Europa groß werden, sodass, wie mehrmals zitiert wurde, "Digitalisierung nicht nur im Ausland" stattfindet. (Alois Pumhösel, 20.3.2021)