Experimentelle Archäologie ist eine wissenschaftliche Methode, die uns Aufschlüsse über das Leben in längst vergangenen Zeitperioden geben kann. Etwa zu Handwerkstechniken, aber auch zu Bestattungssitten und alltäglichen Gebräuchen. Bei einer Doktorarbeit an der Universität Wien tauchte die Fragestellung auf, warum manche Bronzeobjekte in Gräbern verschmort sind. Dazu wurden zwischen 2018 und 2020 im archäologischen Freigelände des Mamuz Schloss Asparn/Zaya in Niederösterreich eine Reihe von Bestattungsversuchen mit Schweinekadavern durchgeführt. Hierzu sei eingangs erwähnt, dass alle bestatteten Schweine eines natürlichen Todes gestorben sind.

Forschungsergebnisse durch Verbrennung

Um den Vorgang einer urgeschichtlichen Brandbestattung nachvollziehen zu können, wurde 2018 und 2019 je ein Kadaver eines Schweines prunkvoll ausgestattet, mit "allen Ehren" auf einen eigens errichteten Scheiterhaufen gebettet und verbrannt. Die Auswahl und Art der Beigaben wurden ebenso wie ihre Position auf der Leiche genau dokumentiert, um diese Daten mit der Lage und dem Zustand der Gegenstände nach der Verbrennung vergleichen zu können.

Die Lage des Kadavers auf dem Scheiterhaufen wurde vor und nach der Verbrennung mittels 3D-Modellierung dokumentiert.
Foto: Fritzl

Diese spektakulären Brandversuche sind aber nur ein Teil eines Langzeitexperiments, das etwa 15 bis 20 Jahre dauern soll. Hier möchten wir ergründen, wie sich die verbrannten Gegenstände, die wir aus der Asche ausgelesen haben, in der Erde weiter verändern. Prinzipiell stellte die Verbrennung nur den ersten Schritt des Bestattungsrituals dar, die längste Zeit waren die Rückstände des Scheiterhaufens den Lagerungsbedingungen eines Erdgrabes ausgesetzt.

Also mussten wir die Brandreste noch endgültig bestatten. Das Freigelände des Mamuz Schloss Asparn/Zaya bot auch für diese weitere drastische Maßnahme den geeigneten Platz, in Form eines steinernen mittelbronzezeitlichen Grabhügels mit zwei Steinkammern. Dieser wurde nach dem Vorbild des Hügels 26 aus Pitten (circa 1700–1500 v. Chr.) im Spätsommer 2020 errichtet. Pitten ist das größte aus Niederösterreich bekannte und zu einem großen Teil archäologisch erforschte Hügelgräberfeld der Mittelbronzezeit.

Während der Verbrennung konnten Temperaturunterschiede und sonstige Vorgänge beobachtet werden.
Foto: Poppenwimmer

Wohlüberlegte Niederlegung im Grab

In der ersten Kammer platzierten wir die ausgesuchten und seitdem durchgehend dokumentierten verbrannten Reste aus den Verbrennungsversuchen von 2018 und 2019. Um gute Vergleichsdaten zu unverbrannt niedergelegten Gegenständen zu erhalten, legten wir eine "Körperbestattung" eines Schweins an, das die gleiche Ausstattung erhielt wie seine auf dem Scheiterhaufen verbrannten Artgenossen.

Bei diesem Langzeitexperiment haben wir nun die Chance, einmal zu beobachten, wie sich die frisch verbrannten Bronzeoberflächen im Lauf der Jahre im Boden noch verändern. Durch anschließende Vergleiche mit den Originalfunden, die ja auch einige Jahre im Boden verbracht haben, lassen sich dann besser Überlegungen anstellen, was mit den Originalen letztendlich wirklich passiert ist.

Die Körperbestattung wurde in Art und Lage der Beigaben den Kremationen nachempfunden.
Foto: Grömer
Auch die Grablegung wurde analog wie digital genauestens dokumentiert.
Foto: Grömer

Über die Vergleichsdaten hinaus erhoffen wir uns auch Ergebnisse zu der Frage, unter welchen Bedingungen organische Substanzen, also Holz, Leder oder Textilien, im Nahbereich von Bronze konserviert werden. Im Zuge der Korrosion werden Kupferionen abgegeben, die den Zerfall organischer Substanzen verlangsamen können. Aus Gräbern kennen wir immer wieder auf Metallobjekten "ankorrodierte" Stoffreste oder – etwa an der Innenseite von Armreifen – Hautabdrücke. Wir möchten gerne wissen, ob die Positionierung der Gegenstände am Körper Auswirkungen auf die Qualität der Erhaltung hat beziehungsweise wie exakt die organische Struktur konserviert wird. Lässt sich beispielsweise Leder und Haut unterscheiden, oder zeichnet sich Körperbemalung ab?

Um diese Fragen untersuchen zu können, rüsteten wir die Bestattung mit zwei Armreifen und Armspiralen, einem Bronzeblechgürtel und zwei Nadeln aus, sowie mehreren Bronzeblechbuckelchen und Röhrchen, aufgenäht auf ein Tuch. Ergänzt wurde das Ensemble durch einen kleinen Dolch und ein Messer mit Holzgriff, die auf Originalfunden basieren.

Der fertige Grabhügel nach dem Vorbild von Pitten. Das Langzeitexperiment wird die nächsten 15 bis 20 Jahre beobachtet und ausgewertet.
Foto: Pieler

Sogar eine Perücke bekam das bestattete Tier – ebenso wie seine zuvor verbrannten Artgenossen. Textilarchäologin Karina Grömer musste dafür Haare lassen: "Wie bei den Brandbestattungen wollten wir die Komplettausstattung eines Toten der Bronzezeit nachstellen. Im archäologischen Befund von Inzersdorf ob der Traisen beispielsweise gab es auch Lockenringe. Um diese richtig befestigen zu können, brauchten die bestatteten Schweine Haare, die ich mir dafür extra habe abschneiden lassen. So weit kann die Liebe zur Wissenschaft gehen – bis hin zum Haaropfer."

Wie schon die Beigaben der Kremation wurden auch jene der Körperbestattung genau dokumentiert. Auch der Grabhügel wird bis zur Ausgrabung, die in etwa 20 Jahren geplant ist, laufend überwacht. Aus den Ergebnissen der laufenden Dokumentation sowie den Untersuchungen der dann ausgegrabenen Gegenstände erwarten wir spannende Aufschlüsse zu den Erhaltungsbedingungen für meist als spurlos verschwunden angesehene Materialien wie Holz, Haar oder Textilien.

Das Team hinter dem Experiment: M. Konrad, M. Fritzl, K. Grömer, A. Krapf, F. Pieler (v. li.).
Foto: Grömer

Experimentelle Archäologie im Museum – eine spannende Sache

Das Mamuz, das Mistelbach Asparn Museumszentrum, ist eines der größten Museen in Österreich, das sich ausschließlich mit Archäologie befasst, und ist auch Kompetenzzentrum für Urgeschichte, Historische Archäologie und Experimentelle Archäologie. Das Konzept des Mamuz beruht auf drei Säulen: der Dauerausstellung und wechselnden Sonderausstellungen in Schloss Asparn/Zaya und in der Ausstellungshalle Mistelbach, dem archäologischen Freigelände in Asparn/Zaya sowie der Experimentellen Archäologie.

Die Erforschung von Technologien der ur- und frühgeschichtlichen Vergangenheit, die eng mit experimenteller Archäologie verbunden ist, blickt in Asparn schon auf eine lange Tradition zurück. Neben der wissenschaftlichen Forschung ist uns auch die Vermittlungsarbeit sehr wichtig: Viele Forschungsergebnisse der Experimentellen Archäologie sind mittlerweile Bestandteil des Besucherprogramms, von Vorführungen und Mitmach-Workshops. Seit beinahe 40 Jahren hat das Mamuz eine enge Kooperation mit dem Arbeitskreis "Experimentelle Archäologie" der Österreichischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte, in deren Rahmen an der Uni Wien eine Lehrveranstaltung angeboten wird. (Michael Konrad, Karina Grömer, Franz Pieler, 18.3.2021)