Die Nebenwohnsitze in Österreich legten im Corona-Jahr 2020 um fast fünf Prozent zu. Laut einer Erhebung der Statistik Austria für den STANDARD gab es am 1. Jänner 2021 um 60.894 bzw. um 4,97 Prozent mehr Nebenwohnsitze in den knapp 2100 österreichischen Gemeinden als ein Jahr zuvor. Zum Vergleich: 2018 und 2019 waren die Zuwächse nur bei 0,40 bzw. 0,77 Prozent gelegen.

Doch Corona hat eben auch hier einiges verändert, wobei die Entwicklungen sehr uneinheitlich verliefen, wie schon ein Blick auf die Österreich-Karte verrät. So gab es zwar bei knapp drei Vierteln aller Gemeinden (1515) sogar einen Anstieg um fünf Prozent oder mehr. 2019 war das nur in rund jeder fünften Gemeinde der Fall gewesen.

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Grafik: STANDARD

Doch auch manche starken Rückgänge stechen ins Auge – und insbesondere die Lage der stark betroffenen Gemeinden. Die meisten Abgangsgemeinden sind nämlich bekannte Wintersportgebiete im Westen Österreichs. In Ischgl gab es Anfang 2021 um 81 Prozent weniger Nebenwohnsitze als Anfang 2020, in Sölden waren es 73,2 Prozent weniger. Für den Söldener Bürgermeister Ernst Schöpf ist die Erklärung aber einfach: "Normalerweise haben wir in den Wintermonaten rund 5500 Mitarbeiter in Tourismusbetrieben, die dann auch fünf bis sechs Monate hier leben und einen Nebenwohnsitz anmelden müssen. Heuer sind die aber natürlich großteils ausgeblieben." Ein paar Dutzend hätten sich zwar schon eingefunden, "auch in der Hoffnung, dass es heuer vielleicht doch noch eine Wintersaison geben wird". Das Gros reiste aber erst gar nicht an.

"Totalausfall der Saison"

Auch in Salzburger Wintersportorten verweist man auf den "Totalausfall der Saison" und meint damit nicht etwa Zweitwohnsitzer aus Deutschland, den Niederlanden oder Italien, sondern schlicht die tausenden Saisonniers, die in der Gastronomie gearbeitet hätten. Ein idealtypisches Beispiel sind die Gemeinden Untertauern im Pongau und Tweng im Lungau, die sich das Skigebiet Obertauern teilen. Sie liegen im österreichweiten Vergleich beim Rückgang der Nebenwohnsitzmeldungen auf den Plätzen hinter Ischgl und Sölden.

In Untertauern wurden 70,2 Prozent weniger Nebenwohnsitze gemeldet, in Tweng betrug der Rückgang 72,9 Prozent. "Das ist rein dem Personal geschuldet", sagt der Twenger Gemeindeamtsleiter Peter Macheiner auf Anfrage des STANDARD. Zwar hätten einige Hoteliers noch im November auf eine Teilsaison gehofft und die eine oder andere Saisonarbeitskraft angemeldet, spätestens über Weihnachten seien diese aber wieder abgemeldet worden. In absoluten Zahlen wird die Dimension besonders deutlich: Am 1. Jänner 2020 waren in Tweng 693 Personen mit einem Nebenwohnsitz gemeldet, am 1. Jänner 2021 nur 188. Zum Vergleich: Tweng hat 260 Einwohner.

Rückgänge im Westen

Da verwundert es nicht, dass in den drei westlichen Bundesländern Vorarlberg, Tirol und Salzburg die Zahl der Nebenwohnsitze insgesamt zurückging. In Tirol war das Minus mit 3,8 Prozent am größten, es folgten Vorarlberg mit minus 1,2 Prozent und Salzburg mit minus 0,3 Prozent.

Doch wie auch schon in der Österreich-Karte gut ersichtlich ist, gibt es auch Bundesländer mit starken Zuwächsen. Die meisten neuen Nebenwohnsitze verzeichnete Kärnten (plus 12,4 Prozent), gefolgt vom Burgenland (plus 10,4 Prozent) und Oberösterreich (plus 9,4 Prozent). Die Gemeinden mit besonders großen Zuwächsen verteilen sich ohne erkennbares Muster auf ganz Österreich. So liegt etwa auch die Gemeinde mit dem österreichweit größten prozentuellen Zuwachs, Breitenwang, in Tirol. Es folgen die oberösterreichischen Gemeinden Oberhofen am Irrsee und Nußdorf am Attersee.

Insgesamt haben alle Salzkammergutgemeinden im Corona-Jahr im Vergleich zu 2019 mehr Nebenwohnsitzmeldungen und liegen damit im Österreich-Trend. Fragt man beim Attersee-Spitzenreiter Nußdorf nach, wie es zu dem Plus von 73,5 Prozent kam (das entspricht einer Nebenwohnsitzzunahme von rund 1100 Personen), bekommt man eine einfache Erklärung.

Dauercamping

Der enorme Zuwachs seien nicht etwa hunderte "Corona-Flüchtlinge", sondern Dauercamper, die oft seit Jahren oder Jahrzehnten in Nußdorf urlauben, heißt es im Gemeindeamt. Diese hätten aufgrund der Corona-Bestimmungen nun eben ihren ohnehin bestehenden De-facto-Zweitwohnsitz am Campingplatz formal im Zentralen Melderegister nachtragen lassen. Ähnliches gelte wohl auch für das Attersee gegenüberliegende Steinbach, wo es ein Plus von 54,1 Prozent gab.

Und ja, dass sich Menschen wegen der Corona-Bestimmungen in einer Gemeinde, in der sie schon bisher oft anzutreffen waren, nun auch tatsächlich angemeldet haben, das hört man auch aus zahlreichen anderen Gemeinden mit Zuwächsen. In Laa an der Thaya in Niederösterreich (plus 11,3 Prozent) vermutet Bürgermeisterin Brigitte Ribisch, dass sich mehrheitlich Leute, die familiär schon in ihrer Gemeinde verankert waren, nun (wieder) angemeldet haben.

Im Bundesland Salzburg gingen die Nebenwohnsitze insgesamt um 0,3 Prozent zurück, was auch hier vor allem an den ausgebliebenen Saisonarbeitern in den Wintersportorten lag.
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"Viele haben ihren De-facto-Wohnsitz jetzt legalisiert, damit sie das gegebenenfalls vorweisen können, falls grad Lockdown ist", ist auch aus Guntramsdorf in Niederösterreich (plus 11,6 Prozent) zu hören. Und auch in der burgenländischen Gemeinde Weiden am See (plus 20,2 Prozent) hätten sich viele deswegen angemeldet, "weil die Leute gerne aufs Land fahren, damit sie das auch während des Lockdowns sicher tun können".

Gaming fehlen Studierende

In Niederösterreich, wo es landesweit einen Zuwachs von 6,5 Prozent gab, sticht allerdings auch eine Gemeinde mit weniger Nebenwohnsitzen als vor einem Jahr hervor – insbesondere auch, weil sie so groß ist: Gaming ist die flächenmäßig zweitgrößte Gemeinde Niederösterreichs, zu ihr gehört einerseits auch der bekannte Wintersportort Lackenhof am Ötscher, andererseits gibt es hier eine Dependance einer US-amerikanischen privaten katholischen Hochschule. Und diese Studierenden reisten im Vorjahr ab – und kamen bisher nicht wieder, berichtet Bürgermeisterin Renate Rakwetz.

Würde man die Studierenden aus der Statistik herausrechnen, gäbe es auch in ihrer Gemeinde ein Plus, sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD. Denn wie vielerorts anders auch seien "die Nebenwohnsitzmeldungen durch Kinder und Enkelkinder von alteingesessenen Gamingern" im Corona-Jahr mehr geworden. (Michael Matzenberger, Martin Putschögl, Thomas Neuhold, Sebastian Fellner, 17.3.2021)