Simple Kassetten, oder Mixtapes, wie die coolen Hunde dazu sagen.
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Pro
von Mia Eidlhuber

Alle haben mich ausgelacht, wenn ich bis vor kurzem meine Interviews immer noch auf Kassetten aufgenommen habe. Heute verbrauchen sie Speicherplatz in meiner Sprachmemo-App. Ganz wohl fühl ich mich damit immer noch nicht. Dass ich es nicht übers Herz gebracht habe, mein altes Kassetten-Aufnahme- und Abspielgerät zu entsorgen, liegt in meiner analogen Natur. Und dies hat sich gerade erst zu Weihnachten als großer Glücksfall herausgestellt.

Wer mich kennt, der weiß das alles, und auch, wie man mein analoges Herz immer noch erobern kann. Mit so einer simplen Kassette, einem Mixtape, wie die coolen Hunde dazu sagen, die so etwas schon in den 80er-Jahren zusammengemixt haben und es immer noch tun. Es ist so einfach.

Ich sage nur: Whitney Houston, Bonnie Tyler, Limahl. Und ich frage mich glückselig: Didn’t We Almost Have It All? Verflogen ist meine: Total Eclipse of the Heart. Es ist einfach eine: NeverEnding Story. Und noch mehr: The Greatest Love of All! Und sollte mein Kassettenabspielgerät je den Geist aufgeben, das alles gibt es auch als MP3-Download. L’amour toujours.

Kontra
von Karl Fluch

Mixtapes galten früher als akustische Informationsträger für volle Herzen und Hosen. Einem angebeteten Wesen ein vollgeschriebenes Tape samt Verzierung zuzustecken bedeutete eine Offenbarung, die das kulturferne "Ich Tarzan, du Jane" bei weitem übertraf.

Doch volle Herzen schützen nicht vor Irrtümern. Nicht jede Umgarnte deutete ein Lied wie Letztes Biest am Himmel der Einstürzenden Neubauten als amouröses Zeugnis. Kerosene von Big Black wurde nicht als jenes Gefühlsbeben erkannt, als das es mir erschien. Was hier zu subtil war, kam dort zu direkt an: Sexbeat von der Band The Gun Club klopfte überdeutlich an die Tür, die fiebrige Erotik-Fantasie In Every Dream Home a Heartache von Roxy Music konnten nur Damen nachsehen, die sich in Englisch mit einem Genügend zufriedengaben. Nach Körben sonder Zahl sattelte ich um und wurde Liebesbriefdichter.

Dass während des Verfassens Bryan Ferry im Hintergrund eine aufblasbare Puppe anschmachtete, blieb den Adressierten so zwar verborgen. Doch zwischen den Zeilen, da tropfte es gewaltig. (RONDO exklusiv, 26.3.2021)