Die zwölfjährige Seyma Elcellud ist glücklich. Vor wenigen Tagen wurde ihr Traum wahr: Sie kann wieder zur Schule gehen. Das syrische Mädchen lebt als Flüchtling im Südosten der Türkei. Vor sieben Jahren verlor sie bei einem Bombenangriff ein Bein. Ihr Vater brachte sie in die Türkei, wo sie mehrmals operiert wurde, eine Prothese bekam – und nun wieder allein gehen kann.

Ein syrischer Lehrer unterrichtet syrische Kinder aus Flüchtlingsfamilien in der türkischen Stadt Adana.
Foto: Ozan KOSE / AFP

Ohne die EU-Hilfe für syrische Flüchtlinge in der Türkei wäre Seyma jetzt weder in der Schule noch könnte sie gehen. Zwar wurde die Prothese von einer privaten Hilfsorganisation gespendet, doch die medizinische Versorgung der Flüchtlinge aus Syrien und der Aufbau von Schulen für über eine Million syrischer Kinder, das wird von der EU stark unterstützt.

Die sechs Milliarden Euro an EU-Hilfen seien "gut angelegt", findet der deutsche Botschafter in Ankara, Jürgen Schulz. Mit dem Geld werden Kliniken gebaut, Schulen errichtet, lokale Gesundheitszentren betrieben. Besonders wichtig ist das sogenannte Cash-Kartensystem: 1,8 Millionen Flüchtlinge bekommen monatlich etwas Geld für den Kauf von Grundnahrungsmitteln überwiesen. Dieser Programmpunkt wurde bereits bis 2022 verlängert. Er trägt der Situation Rechnung, dass von den rund 3,6 Millionen offiziell registrierten syrischen Flüchtlingen nur noch etwa ein Prozent in Lagern lebt, wo sie vom türkischen Roten Halbmond versorgt werden. Alle anderen sind längst über das ganze Land verstreut, rund eine Million dürften in Istanbul leben.

Auch wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wiederholt moniert hat, dass das Geld aus Brüssel viel zu langsam käme und die Zweckbindung viel zu restriktiv sei, haben die Gelder doch geholfen, die Situation für die Flüchtlinge zu stabilisieren.

Offenes Thema: Visafreiheit

Neben der stärkeren Abschottung der EU an der türkisch-griechischen und türkisch-bulgarischen Grenze hat das sicher einen entscheidenden Anteil daran, dass die "illegale Einwanderung" in die EU über die Türkei dramatisch reduziert werden konnte.

Ein Aspekt, der nicht umgesetzt wurde, ist die Aussicht auf visafreie EU-Reisen für türkische Staatsbürger – und das ist einer der Gründe, warum Erdoğan den Pakt neu verhandeln will. Gespräche darüber laufen, Ergebnisse sind aber nicht in Sicht. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 18.3.2021)