Kein Anlass, die Mundwinkel zu heben: Michael Varga und Maxím Eczyk von der Wiener Band Downers and Milk.

Foto: manuel gruber

Angesichts von Pandemie, Klimakrise und dem immer deprimierender ausfallenden Netflix-Algorithmus fragen sich fragile Gemüter zusehends, wo andere noch ihren Optimismus hernehmen. Gerade so, als gäbe es dazu Anlässe oder gar eine Verpflichtung, die Zukunft rosig zu sehen – oder überhaupt eine Zukunft.

Die Wiener Band Downers and Milk entlässt sich selbst aus dieser Pflicht: "Fight for your right not to party!" – könnte man sagen. Doch Downers and Milk haben höhere poetische Ansprüche als einfache Slogans; bei ihnen hört sich das so an: "Fuck your prayers, fuck your gods / your ghosts and spiritual thoughts / the world is drowning / and closed eyes can’t save you / no whit."

Dieser Zweckpessimismus zeitigt prächtige Balladen, von denen sie zehn Stück auf ihrem Debütalbum Songs of Fear and Flight zusammengetragen haben. Akustische Nachtschattengewächse von erhabener Schönheit, geschultert von eingetrübten Gemütern, übersetzt in Gesänge, die den Nebel überm Friedhof gefrieren lassen. So viel Klischee muss sein.

Macht und Details

Als die wesentlichen Figuren der Band werden Maxím Eczyk und Michael Varga angeführt. Schlägt man das Booklet in der Mitte auf, stehen dann insgesamt acht kunstvoll verwahrloste junge Männer auf der Bühne, die die existenziellen Ängste und Befürchtungen der Songschreiber mit voller Macht und voller Details musikalisch verwirklichen: Die Akustikgitarre lehnt sich an das Moll, das aus dem Klavier tropft, die Orgel tröstet, die Geige erhöht das Drama, das Cello öffnet die Kellertür.

Downers & Milk

Keine Frage, bei welchen Lehrmeistern Eczyk und Varga studiert haben: Die Vorträge eines Nick Cave und eines Mark Lanegan haben Wirkung gezeigt, sogar die Süffisanz eines Dr. John meint man im Vortrag stellenweise zu vernehmen, ebenso den händeringenden Expressionismus eines Simon Bonney. Allesamt Giganten wallender Gefühle und eines Fachs, das trotz seiner Düsternis gut ausgeleuchtet ist und sattsam dokumentiert ist.

Ein Orden in Schwarz

Dennoch wäre es vermessen, Songs of Fear and Flight als Arbeit strebsamer Kopisten abzutun, denn das Gegenteil ist der Fall. Downers and Milk gelingt es, trotz erdrückender Referenzen ihren eigenen Weg durchs Jammertal zu finden. Besser noch: Manche ihre Lieder klingen wie würdevolle Alternativangebote zu dem Weg, den Nick Cave eingeschlagen hat. Der empfahl sich ja weg von der klassischen Ballade hin zu esoterisch anmutender Lautmalerei und zäh mäandernden Lamentos für Übungen des autogenen Trainings.

Downers & Milk

Downers and Milk hingegen schreiben Mini-Epen, sind klassischem Songwriting in der Pflicht und vermögen tolle Melodien zu erschaffen. Gleichzeitig meistern sie die Gratwanderung zwischen Klischee und Inflation. Jene Fallen, die das Balladenfach als leidlich strapaziertes Genre begleiten wie die Farbe Schwarz, in der natürlich auch das Tuch dieses Ordens gefärbt ist.

Und dennoch ist ein Lied wie Out of the Dark, das in keiner Verwandtschaft zu Falcos Grässlichkeit desselben Namens steht, gewissermaßen der Upper unter den Downern und fügt sich wie ein Lichtpunkt ins Bild – bevor sich die Band wieder ihrem Kummer ergibt. Ein überzeugender Einstand. (Karl Fluch, 18.3.2021)