In Zukunft, sagte vor einigen Jahren ein weiser Mann, werde es in Europa nur noch fünf Könige geben. Die vier Kartenkönige und den König oder die Königin von England. Wenn man sich die Reaktionen auf das mittlerweile berühmte Fernsehinterview von Prinz Harry und seiner Meghan anschaut, ist man versucht, die Prophezeiung zu revidieren. Möglicherweise werden es nur vier Könige sein, Herz, Karo, Pik und Treff.

Harry und Meghan sind an den unerbittlichen Regeln des britischen Königshauses – der "Firma" – gescheitert, dem "goldenen Käfig", in dem kein Raum für privates Glück ist.

Harry und Meghan sind an den unerbittlichen Regeln des britischen Königshauses – der "Firma" – gescheitert, dem "goldenen Käfig", in dem kein Raum für privates Glück ist.
Foto: AFP/GARETH FULLER

Sie waren und sind nicht die Einzigen. King Edward VIII musste wegen seiner Heirat mit einer geschiedenen Amerikanerin abdanken, Prinzessin Margaret durfte ihre große Liebe Peter Townsend nicht heiraten, Prinzessin Diana, die "Königin der Herzen", war laut ihrem Sohn Harry ebenfalls ein Opfer der "Firma" und der britischen Boulevardmedien. Ein "Royal" zu sein und gleichzeitig ein normales Privatleben zu führen scheint unmöglich zu sein. Entweder oder. Einzig die 94-jährige Queen hält eisern an allen Traditionen fest. Ist "die Krone" es wert, dass so viele Mitglieder der Königsfamilie um ihretwillen unglücklich werden? Hier bildet das Vereinigte Königreich tatsächlich eine Ausnahme unter den europäischen Monarchien.

Pracht und Schönheit

Vieles, das die Briten als Teil ihrer Identität empfinden, hängt mit ihr zusammen. Die Pracht und Schönheit der Paraden, das "Trooping the Colour", die Garden vor dem Buckingham Palace mit ihren Bärenmützen, Lieblinge aller Touristen, auch die Nationalhymne. Kann man "God save the Queen" singen ohne Queen?

Und natürlich ist die Dynastie auch das letzte Band, das das britische Commonwealth zusammenhält, der letzte Abglanz des einst gewaltigen britischen Empire.

Die Österreicher können hier Parallelen zu ihrer eigenen historischen Erfahrung erkennen. In den Jahren des Verfalls der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie war es auch bei uns der Kaiser, der die auseinanderstrebenden Nationalitäten zusammenhielt. "Solang der alte Kaiser lebt ...", sagten die Leute. Und auch bei den Habsburgern scheiterten einzelne Individuen an den ungeschriebenen Regeln und Traditionen des Kaiserhauses, von Kaiserin Elisabeth bis zum unglücklichen Kronprinzen Rudolf. Und als nach dem Tod von Kaiser Franz Joseph das Vielvölkerreich endgültig zusammenbrach, bedeutete das für viele von dessen Untertanen ein lebenslanges Trauma.

Das Harry-und-Meghan-Interview hat die tragische, aber auch die banale Seite der britischen Royals aufgezeigt. Das Königshaus und die Boulevardpresse leben, wie Prinz Harry richtig bemerkte, in einer fatalen Symbiose. Sie brauchen einander. "Royal Watcher" ist in der britischen Medienszene ein Beruf. Möglich, dass der Glanz des Königshauses erlischt, wenn es die alte Queen nicht mehr gibt. Möglich aber auch, dass ausgerechnet die "Gossenpresse" zur Retterin der Monarchie wird. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 17.3.2021)