Es kommt Bewegung in den Masken-Markt – vor allem was FFp2-Masken betrifft.

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Die bunte Parade an Mund-Nasen-Schutz aus Stoff hat ausgedient. Die einst emsige Produktion ist vorläufig Geschichte.

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Wien – Die Politik beschleunigte die Betriebsgründung. Die Eröffnung wurde zum Fest. Als Symbol für die Kraft der österreichischen Wirtschaft in Zeiten der Krise sollte die rasant aus dem Boden gestampfte Maskenproduktion der Hygiene Austria dienen. Bis der Etikettenschwindel mit großangelegten Importen aus China und der Einsatz dubioser Zeitarbeitsfirmen aufflogen. Seither ist beim Joint Venture der zwei Traditionskonzerne Lenzing und Palmers Feuer am Dach.

War's das mit den rot-weiß-roten Masken? Von wegen. Abseits des politischen Scheinwerferlichts und der nationalen Parolen arbeiten Unternehmer fieberhaft an neuen Zulassungen für den Atemschutz.

FFP2 aus Oberösterreich

In vier Wochen sollte es so weit sein, hofft Rudolf Schneider. Dann könnten seine Masken die Zertifizierung des Eich- und Vermessungsamts in Wien haben. Schneider ist Mühlviertler Textilfabrikant. Vor einem Jahr sorgten seine Webereien und Nähereien innerhalb von sechs Wochen für 300.000 Masken. Gemeinsam mit dem Chemieriesen Borealis und der Kepler-Uni Linz will er die zehnmal waschbaren Stoffmasken auf FFP2-Niveau heben.

Es wäre die weltweit erste entsprechende Stoffmaske, ist Schneider überzeugt. Borealis sorge für das Vlies, seine Betriebe für den Stoff. Die Baumwolle beziehe er aus Griechenland. Bis zu 150.000 Stück ließen sich monatlich fertigen. Neben eigenen 100 Mitarbeitern könne er in Summe 300 Näherinnen aus Österreich und Südböhmen einsetzen.

Baumwolle statt Kunstfaser

Als Konkurrenz zu Wegwerfware aus China sieht er seine acht, neun Euro teuren Schutzmasken nicht. "Viele Menschen, die Masken bis zu acht Stunden am Tag tragen müssen, wollen keine Kunstfaser auf der Haut. Und es geht darum, Müllberge zu reduzieren."

Ähnliche Ziele verfolgt Peter Hofer. Der Eigentümer des Hemdenerzeugers Gloriette strebt eine österreichische Zertifizierung für waschbare und Einweg-FFP2-Masken an. "Die ersten Tests verliefen sehr vielversprechend." Die Entwicklung sei aber extrem komplex und aufwendig. Bis zur Serienreife werde es daher noch Zeit brauchen. Hofer arbeitet dafür mit Partnern zusammen. Genäht wird in eigenen Produktionen in Stegersbach und Ungarn. Er habe im Vorjahr auch Gespräche mit der Lenzing AG geführt, erzählt er. "Sie entschied sich für Palmers."

Helden ohne Aufträge

Günther Grabher wünscht Hofer und Schneider Glück. Große Chancen für Stoffmasken, bei den Tests zu bestehen, sieht der Vorarlberger Textilspezialist, der für die Maskenproduktion selbst ein Netz an Betrieben auf die Beine stellte, nicht. Allein die Flammprüfung stelle eine enorme Hürde dar, erläutert er.

Als Held der Stunde wurde Grabher gefeiert, als er nach Ausbruch der Corona-Pandemie mit Partnern wie Getzner, Hämmerle und Wolford im Ländle Know-how für eine zügige Maskenherstellung bündelte. Mittlerweile produziert er nur noch in sehr kleinen Stückzahlen, sitzt auf 50.000 unverkauften Masken und aufgrund fehlender Aufträge wertlosem Rohmaterial fest. Mit der Einführung der Pflicht für FFP2-Masken in Österreich stand der Absatz nahezu still. "Sobald Österreichs Versorgung durch China gesichert war, galt freie Marktwirtschaft."

CPA-Zulassung erlischt

Grabher erreichte für seine Masken eine CPA-Zulassung. Einem Erlass zufolge durften diese jedoch nur im medizinischen Bereich, nicht im Privatbereich zum Einsatz kommen. "Wir haben uns strikt daran gehalten, Hygiene Austria nicht. Ich verstehe einfach nicht, warum hier seitens der Marktaufsichtsbehörden nichts passiert ist." Palmers selbst war dazu für eine Stellungnahme bisher nicht erreichbar.

Ende März erlischt jedenfalls die CPA-Zulassung in Österreich: CPA-Masken dürften nicht mehr in Verkehr gebracht werden und gehörten vernichtet, sagt Grabher.

Warum stieg er mit seinen Partnern nicht in die FFP2-Produktion ein? "Die Patentrechte sind schlichtweg nicht geklärt und völlig unübersichtlich." Allein für die Faltmaske gebe es 125 Patentfamilien. US-Konzerne wie 3M beobachteten Europas Maskenhersteller derzeit mit Argusaugen. "Die Branche wird noch einige böse Überraschungen erleben", vermutet Grabher – auch mit Blick auf Hygiene Austria. "Die Rechnung aus Amerika kommt erst."

Aufgeben wird der Textilunternehmer den Maskenmarkt dennoch nicht. Sein Betrieb erhielt jüngst die Zulassung für die wiederverwendbare Maske Vprotect CWA; die EU hat diese Norm für ihre Bevölkerung erarbeitet. Zudem wurden 4,5 Millionen Euro in eine neue Filteranlage investiert: Mit elf Meter Höhe, 27 Meter Länge und 24 Meter Breite sei diese nicht zu übersehen, meint Grabher. Österreich wäre mit ihr bei Filtern für Masken autark.

Keine Profite

Ein Jahr ist es her, dass ein lauter Weckruf der Politik durch Österreich ging und zur nationalen Produktion aufrief. "Wir waren bereit, Masken ohne Profit herzustellen, sie zum Selbstkostenpreis zu verkaufen", sagt Martin Schlintl, Produktionsleiter bei Flextronics in Althofen. Der Technologiekonzern investierte in Maschine und Rohmaterial.

1,5 Millionen Masken liefen vom Band. Diese dienten eigenen Mitarbeitern, 40.000 wurden gespendet. Die Kärntner Masken in Österreich zu verkaufen scheiterte an der fehlenden Nachfrage. Seit vergangener Woche steht die Anlage still.

Es war eine bunte Palette an Unternehmen, die sich der Stoffmasken annahmen, ehe FFP2 in Österreich Einzug hielt. Kleine, kreative Änderungsschneidereien übten sich darin ebenso wie Insassen der Justizanstalten. Langzeitarbeitslose in Sozialprojekten nähten mit Trachtenherstellern um die Wette.

"Wie warme Semmeln"

Polstermöbelproduzent Hannes Schiefer zählt mit seinen fünf Mitarbeitern 4.000 Stück, die aus seiner Werkstatt in Anthering kamen und weggingen "wie die warmen Semmeln. Sie erlaubten es uns weiterzuarbeiten. Das war das Allerwichtigste", resümiert er.

Sie habe in den vergangenen Wochen nur noch ein paar Masken für Hochzeiten verkauft, erinnert sich die Dirndl-Schneiderin Anna Tostmann, "zum Drüberstülpen über die FFP2-Maske, aber wer hält das lang aus?". Letztlich sei es ein Nullsummenspiel gewesen, habe aber in einer unsicheren Zeit dabei geholfen, die Motivation nicht zu verlieren.

Stefan Flemmich, Chef des Matratzenherstellers Elastica, sorgte in Kuchl für 80.000 Stück. Er ließ es bald wieder sein – zumal selbst die Wirtschaftskammer Masken im Ausland orderte. "Preiskämpfe mit China tue ich mir nicht an." (Verena Kainrath, 18.3.2021)