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US-Außenminister Antony Blinken bei einem Auftritt während seiner Japan-Reise zu Beginn dieser Woche. Asien steht einmal mehr im Fokus der amerikanischen Diplomatie.

Foto: Reuters / Kim Kyung-hoon / Pool

Endlich, nach fast zwei Monaten im Amt, ist die Schwelle überschritten. Der US-Außenminister reist wieder um die Welt, er kann wieder mit Amtskollegen reden, vis-à-vis an einem Verhandlungstisch, statt sie nur an einem Bildschirm zu sehen.

Antony Blinken ist nach Seoul und Tokio geflogen, am Donnerstag kehrt er in die Vereinigten Staaten zurück, nach Anchorage in Alaska, wo sein bisher wichtigstes Gespräch auf dem Programm steht. Gemeinsam mit Jake Sullivan, dem Sicherheitsberater des Weißen Hauses, verhandelt er mit Wang Yi, seinem chinesischen Amtskollegen, und Yang Jiechi, der im Politbüro der Kommunistischen Partei Chinas für Außenpolitik zuständig ist.

Allein schon die Reiseplanung macht klar, wo die Regierung Joe Bidens ihre Prioritäten sieht: in Ostasien, nicht in Europa. Es liege sehr im Interesse der USA, dass diese Region eine freie und offene sei, geprägt durch Achtung für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, so Blinken kürzlich. China dagegen setze auf Zwang, um seine Interessen durchzusetzen. Gleichwohl werde man ausloten, wo man mit Peking kooperieren könne.

Kritik ohne Eskalation

Damit hat der Chefdiplomat ohne diplomatische Schnörkel den Balanceakt beschrieben, an dem sich Bidens Kabinett versucht. Einerseits deutliche Kritik, wie Blinken sie Anfang März äußerte, das Vorgehen gegen die muslimischen Uiguren als Genozid charakterisierend. Andererseits der Versuch, mit dem aufstrebenden Rivalen eine Art Modus Vivendi zu finden, Konflikte zu managen, statt sie eskalieren zu lassen.

Hinter vorgehaltener Hand sprechen US-Diplomaten, die man dann nur eben nicht beim Namen nennen darf, vom entscheidenden Wettlauf des 21. Jahrhunderts – hier die amerikanische Techno-Demokratie, dort die chinesische Techno-Diktatur. Wer ist effizienter?

Dass China Corona-Impfstoff nach Afrika und Lateinamerika liefert, während in Michigan oder Massachusetts produzierte Präparate die USA nicht verlassen dürfen, solange die eigene Bevölkerung nicht versorgt ist, lässt Kommentatoren mahnen, Biden dürfe bei allem Fokus aufs Nationale den Soft-Power-Wettbewerb mit der Volksrepublik nicht vergessen.

Der Präsident, schrieb die New York Times neulich in einem Leitartikel, dürfe den Amerikanern nicht nur versichern, dass sie bis zum Sommer geimpft seien. Er müsse ihnen auch versichern, dass es "aus Gründen der Moral und des gesunden Menschenverstands" in ihrem Interesse liege, wenn ihr Land im globalen Krieg gegen das Virus in erster Reihe marschiere.

Der Balanceakt: Im Grunde ist er nichts Neues, allerdings wurden die Akzente im Weißen Haus immer auch anders gesetzt. Barack Obama baute darauf, China einzubinden, indem man dem Land auf Augenhöhe begegnete. Auf seine Initiative wurde der "strategische und ökonomische Dialog" eingefädelt, ein jährliches Forum, dessen Sinn darin bestand, eventuelle Missverständnisse rechtzeitig auszuräumen.

Abkehr vom Trump-Stil

Donald Trump stellte die Polemik gegen die Exportnation China 2016 in den Mittelpunkt seiner Wahlkampagne. Im Amt handelte er nach der Devise, dass gute persönliche Drähte irgendwann jeden Deal ermöglichen, sei es mit dem Nordkorea Kim Jong-uns oder dem China Xi Jinpings, sei es über Atomwaffen oder Handelsstreitigkeiten. Wobei er an Repressalien im Grunde nichts auszusetzen hatte. Im Juni vor zwei Jahren gipfelte es, so hat es sein damaliger Sicherheitsberater John Bolton geschildert, in einer Art Persilschein für Xi. In Osaka, wo die G20-Runde tagte, erklärte ihm der chinesische Staatschef, warum er in der Unruheprovinz Xinjiang, der Heimat muslimischer Uiguren, Internierungslager bauen lasse. Laut Bolton erwiderte Trump, dies sei genau das, was getan werden müsse.

Biden hat nicht nur einen anderen Ton angeschlagen. Er macht auch deutlich, dass er Außenpolitik nicht als eine Serie geschäftlicher Transaktionen begreift, die man – nach Trumps Maxime – am besten vorbereitet, wenn man sie angeht wie einen Immobiliendeal, jederzeit bereit, vom Tisch aufzustehen. Prinzipien, Werte und Bündnisse, betont er, müssten wieder etwas bedeuten. Zickzack, Pokern, selber unberechenbar sein: nicht mit ihm. (Frank Herrmann aus Washington, 17.3.2021)