Mark Rutte liegt laut den Prognosen voran.

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Den Haag – Nach seinem Sieg bei der niederländischen Parlamentswahl will der rechtsliberale Ministerpräsident Mark Rutte mit den ebenfalls erfolgreichen Linksliberalen Gespräche über eine Regierungsbildung beginnen. Das sei "naheliegend", sagte der 54-Jährige am Mittwochabend. Ruttes VVD wird laut einer Prognose der Agentur ANP mit etwa 23 Prozent der Stimmen und 36 der 150 Sitze stärkste Kraft in der Zweiten Kammer des Parlaments.

An die zweite Stelle schob sich überraschend die linksliberale und besonders europafreundliche D66. Sie holte laut der Prognose 24 Mandate, fünf mehr als bisher. Umfragen zeigten, dass dies wesentlich auf die populäre Spitzenkandidatin Sigrid Kaag (59) zurückzuführen ist.

Die Außenhandelsministerin arbeitete viele Jahre für die Vereinten Nationen und spricht sechs Sprachen. Sie gilt als ein neuer Star der niederländischen Politik. Nach Bekanntwerden des Ergebnisses veröffentlichte sie auf Twitter Bilder, die sie ausgelassen auf einem Tisch tanzend zeigen.

Wilders verliert

Kaag deutete an, dass sie nur dann zu einer Fortsetzung der Koalition mit Ruttes VVD bereit sei, wenn eine weitere progressive Partei in die Regierung eintritt. Die Politik müsse "progressiver, ehrlicher und grüner" werden, forderte sie am Wahlabend. Bisher regierte Rutte außer mit der D66 mit zwei rechten Parteien, den Christdemokraten und der kleinen Christenunie. "Ich habe Energie für noch mal zehn Jahre", versicherte Rutte (54), der bereits seit 2010 an der Macht ist und in der nächsten Legislaturperiode der am längsten amtierende Ministerpräsident der niederländischen Geschichte werden würde.

Welche progressive Partei das sein könnte, ist aber offen. Die möglichen Kandidaten, die Linksgrünen (Groen Links), die Sozialdemokraten und auch die Sozialisten, verloren allesamt massiv an Stimmen. Neben der D66 ist die paneuropäische Partei Volt der einzige Gewinner der Abends aus dem linksliberalen Spektrum. Sie erhielt laut den Prognosen drei Sitze und zieht erstmals ins Parlament ein.

Rutte will bereits am Donnerstagnachmittag umgehend Koalitionsverhandlungen aufnehmen: "Die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind enorm. In den kommenden Wochen und Monaten müssen wir das Land aus der Corona-Krise führen."

Spaltung unter den Rechtspopulisten

Die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders, die in den Umfragen wochenlang auf dem zweiten Platz gestanden war, musste sich mit Rang drei zufriedengeben. Sie verlor drei Sitze. Dafür gewann eine andere rechtspopulistische Partei, das Forum für Demokratie (FvD) des Nationalisten Thierry Baudet, sechs Sitze dazu und hat nun acht. Eine Abspaltung des FvD, Richtige Antwort 21 (JA21), zieht mit drei Abgeordneten ins Parlament ein, sodass die Rechtspopulisten unter dem Strich auffallend gestärkt aus der Wahl hervorgehen.

Während Wilders im Wahlkampf eher auf seine klassischen Themen – Islamfeindlichkeit und Anti-EU-Parolen – gesetzt hat, baute Baudet stärker auf Gegnerschaft zu den Corona-Lockdowns. Diese Politik dürfte sich für ihn ausgezahlt haben. Allerdings liegt auch sein Ergebnis deutlich unter früheren Umfragewerten. Im Frühjahr 2019 war das FvD kurzzeitig auf Rang eins der Umfragen gelegen und hatte Aussicht auf 25 Sitze gehabt. Seither hat die Partei, auch wegen interner Streitereien, stetig verloren. Erst gegen Ende des Wahlkampfs legte sie wieder leicht zu.

Auch Grüne verlieren

Der Verlust von sechs Sitzen für die Grünen wird unter anderem darauf zurückgeführt, dass die Partei vor vier Jahren nicht in die Regierung eingetreten war und der Klimaschutz inzwischen auch für andere Parteien ein zentrales Thema ist. "Das tut weh", sagte Spitzenkandidat Jesse Klaver zu der Tatsache, dass seine Partei nach vorläufigen Ergebnissen halbiert wurde.

Zusätzlich zu den 13 Parteien, die bisher im Parlament vertreten waren, ziehen laut der Prognose vier weitere ein, sodass dort künftig 17 Parteien vertreten sind. In den Niederlanden gibt es keine Sperrklausel. Trotz Corona lag die Wahlbeteiligung bei 82 Prozent und damit ebenso hoch wie vor vier Jahren. (red, APA, 17.3.2021)