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In vielen Supportabteilungen werden einfache Anfragen bereits von Chatbots statt Mitarbeitern bearbeitet.

Foto: Reuters

Die Coronavirus-Pandemie hat in einigen Branchen zu einem plötzlichen Schub an lange verabsäumter Digitalisierung geführt. Für viele Menschen ist das eigene Zuhause zumindest teilweise zum Arbeitsplatz geworden. Homeoffice lautet das Stichwort.

Diese Entwicklung hat auch vor der Callcenter-Industrie nicht haltgemacht. Sie ist in einigen Ländern, insbesondere in Südostasien, ein extrem wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zahlreiche westliche Firmen haben Teile ihres Kundendienstes in den vergangenen Jahrzehnten in die Region verlagert. Allein auf den Philippinen trägt die Branche mit 26 Milliarden Dollar neun Prozent zum jährlichen Wirtschaftsaufkommen bei (Stand 2019).

Chatbot statt Mitarbeiter

Statt im Büro sitzen nun viele Betreuer ebenfalls daheim in ihren oft kleinen Wohnungen, die sie sich mit ihrer Familie teilen. Das führt zu hohem Lärmpegel, zudem ist die Infrastruktur vielerorts marode, sodass zur ohnehin schon hohen Last auch Herausforderungen wie Stromausfälle hinzukommen.

Doch, so berichtet Bloomberg, könnte es nach der Pandemie für sie noch schlimmer kommen. Die Entwicklung künstlicher Intelligenz macht immer größere Fortschritte. Sie kann immer mehr Aufgaben übernehmen, die derzeit noch von Callcenter-Mitarbeitern erledigt werden.

Laut Sitel, einem amerikanischen Callcenterbetreiber mit über 20.000 Mitarbeitern auf den Philippinen, nutzt fast ein Viertel seiner Kunden mittlerweile KI-gestützte Chatbots. Der Anteil könnte bis Ende 2021 auf 35 Prozent ansteigen. Das wäre mehr als eine Verdreifachung gegenüber der Zeit vor der Pandemie.

Personalbedarf sinkt

Seit 2019 hat Sitel seinen Mitarbeiterstand nicht mehr erhöht. Digitalisierungsprojekte, die normalerweise über ein halbes Jahrzehnt umgesetzt werden, seien teilweise binnen Monaten durchgeführt worden. Bevor das Sars-CoV-2-Virus auftauchte, rechnete der philippinische IT-Wirtschaftsverband noch damit, dass bis Ende 2022 fast 1,6 Millionen Menschen Vollzeitjobs in Callcentern haben könnten.

Diesen Ausblick hat man mittlerweile drastisch nach unten korrigiert und geht von bestenfalls leichtem Wachstum von 1,3 auf 1,4 Millionen aus. Die asiatische Entwicklungsbank rechnet vor, dass KI und andere Technologien bis 2030 bis zu 286.000 Philippiner aus der Branche drängen könnten.

Vom Outsourcing-Hub zum Big-Data-Zentrum

Bei der Philippine Software Industry Association versucht man zu beruhigen. Künstliche Intelligenz sei längst noch nicht so weit, kompliziertere Anfragen befriedigend abarbeiten zu können. Chatbots seien die niedrigste Form der Entwicklung. Von Erfindungen, die in der Lage seien, die komplette Branche umzukrempeln, sei man noch weit entfernt.

Arthur Nowak, Chef des amerikanischen Outsourcing-Spezialisten Ttec auf den Philippinen, sieht zudem Chancen in der Transformation. Denn um neue KI-Systeme zu schaffen und am Laufen zu halten, brauche man ebenfalls Personal.

Die philippinische Regierung versucht auch, auf den Wandel zu reagieren. Sie investiert in Schulungsmaßnahmen, über die Callcenter-Mitarbeiter sich die Skills für Jobs in der Outsourcing-Industrie aneignen können, die weniger von Automatisierung bedroht sind. Dazu gibt es Stipendien für Ausbildungen in Wissenschaft und Technologie. Wirtschaftsminister hofft darauf, das Land zu einem wichtigen Zentrum im Bereich Big Data machen zu können. (red, 18.3.2021)