Um dieses Gebäude in der Kremser Altstadt ist ein veritabler Streit entbrannt.

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Auch viele Architekten halten den Abriss für unverantwortlich.

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In der Altstadt von Krems an der Donau soll ein Gebäude abgerissen werden. Dagegen hat sich vor einigen Wochen massive Kritik geregt, unter anderem auch von Fridays for Future: Das Haus aus dem 19. Jahrhundert, das noch tadellos in Schuss sei, für einen "Luxus-Neubau" mit Wohnungen und einem Hotel samt Tiefgarage abzureißen, sei schlicht "ein Wahnsinn", sagte eine Aktivistin (DER STANDARD berichtete). Protestinitiativen formierten sich, auch in Architektur- und Denkmalschutzkreisen. Am 5. März wurde der Kremser Vizebürgermeisterin Eva Hollerer (SPÖ) eine Petition mit 1435 Unterschriften überreicht.

Bescheid erhofft

Dabei geht es hauptsächlich um die baukulturelle und ökologische Seite dieser Geschichte. Höchst interessant ist aber auch der mietrechtliche Aspekt. Denn der Bauwerber – die SK Immobiliengesellschaft, eine Tochter der Kremser Sparkasse – hat beantragt, dass die Bezirksverwaltungsbehörde einen "Interessenbescheid" erlässt. Ein solcher würde die gerichtliche Kündigung der aufrechten Mietverhältnisse in dem Gebäude ermöglichen.

Geregelt ist das im Paragraf 30 des Mietrechtsgesetzes (MRG). Dieser zählt "wichtige" Gründe auf, bei deren Vorliegen ein Vermieter einen Mietvertrag kündigen kann.

Keine "Sphäre des Mieters"

"Die meisten davon haben mit der Sphäre des Mieters zu tun", erklärt Wohnrechtsexperte Martin Gruber – also wenn der Mieter beispielsweise nicht mehr zahlt oder sich unleidlich verhält. Der in Zahl 15 genannte Grund aber habe mit der Sphäre des Mieters nichts zu tun. Dort steht, dass ein Mietvertrag auch dann gekündigt werden kann, wenn das betreffende Wohnhaus "ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll", sofern die Errichtung eines neuen Gebäudes sichergestellt ist und dieser Neubau "aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird".

Über dieses "öffentliche Interesse" entscheidet die Bezirksverwaltungsbehörde. Das ist im Kremser Fall allerdings wiederum der Magistrat der Stadt Krems, denn die 25.000-Einwohner-Stadt an der Donau ist eine Statutarstadt.

Ersatz muss beschafft werden

Wird so ein Interessenbescheid ausgestellt, hat der Vermieter bzw. Bauwerber im Kündigungsverfahren vor Gericht also ein gewichtiges Argument auf seiner Seite. Allerdings braucht es dazu eben noch mehr, um die bestehenden Mietverträge tatsächlich kündigen zu können, sagt Gruber: Der letzte Halbsatz der zitierten Passage, jener mit der Ersatzbeschaffung, sei natürlich ebenso wichtig.

Die Ersatzbeschaffung im Fall einer solchen gerichtlichen Kündigung nach Paragraf 30 (2) Z 15 wird im Paragraf 32 des MRG noch genauer gestaltet. Demnach sind einem Mieter "zwei entsprechende Wohnungen zur Auswahl mit Schriftsatz als Ersatz anzubieten", wobei "entsprechend" so definiert wird, dass sie "dem Mieter nach der Größe, der Ausstattung, der Lage und der Höhe des Mietzinses unter Berücksichtigung seiner persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse zumutbar" sind. Kommt es hier nicht zu einer Einigung, kann aber auch eine finanzielle Entschädigung vereinbart werden, erklärt Gruber.

Abschlägige Äußerung

Die SK Immobiliengesellschaft hatte über ihre Anwälte den "Antrag auf Erlassung eines Interessenbescheides" im November gestellt, wenig später äußerte sich eine Mieterin des Hauses dazu, ebenfalls per anwaltliches Schreiben. Sie pocht darin auf die Beibehaltung ihres unbefristeten Mietvertrags, denn sie habe diese Wohnung aus guten Gründen – beispielsweise wegen der "Gehreichweite zur Innenstadt" – angemietet. Und sie führt darin auch aus, warum aus ihrer Sicht keiner der im Gesetz genannten Gründe für den Erlass eines "Interessenbescheides" sprechen könne.

Eine "Vermehrung der Wohnungen" werde etwa nicht stattfinden, denn die Anzahl der Wohneinheiten würde durch Abriss und Neubau sinken – von aktuell 24 (davon 18 vermietet) auf 15. Ferner wird stark bezweifelt, dass das Objekt – wie vom Eigentümer behauptet – "in die Jahre gekommen" sei, denn das Dachgeschoß sei erst vor etwas mehr als 20 Jahren ausgebaut worden und die Fassade wurde erst vor wenigen Jahren gedämmt.

Mehr Rechte für Mieter

Früher wurde mit solchen Interessenbescheiden häufiger operiert als heute, sagt Gruber. In Wien hatte sich "in den 1980er- und 1990er-Jahren so manche Hausverwaltung darauf spezialisiert". Mit den Bescheiden konnte man Häuser rasch "leer machen" und abreißen. "Früher ging es aber auch hauptsächlich um das ‚öffentliche Interesse‘ an einer Vertragsauflösung, heutzutage werden auch die Mieterinnen und Mieter stärker angehört."

Bleibt also abzuwarten, ob das im Kremser Fall auch so sein wird. (Martin Putschögl, 19.3.2021)