Eigene Grenzen im Sehen begreifen und erweitern: Teresa Präauer.

Foto: Thomas Langdon

Glücksbohnen gibt es wie Sand am Meer. Man muss nur genau schauen und sie finden. Dann sind sie in der Hosentasche mitzuführen, bis einem "das Glück wieder hold" ist. Eine Einübung in Wahrnehmung könnte man sagen. Ein allererster Fund ist, dass nun ein Buch, kein Ratgeber, mit dem Glück und der Bohne im Titel erscheint, das randvoll ist mit Geschichten, die davon erzählen und das Glück dabei drehen und wenden.

Die Geste ist verschwenderisch und ein ladend: Teresa Präauer öffnet in Das Glück ist eine Bohne ihr Schreibarchiv, das sich in den Jahren 2012 bis 2020 angesammelt hat, und macht es in einer malerisch schönen Zusammenstellung verfügbar. Diese besteht aus einer Auswahl von zweiundachtzig Geschichten, die außer ein paar wenigen unveröffentlichten in über zehn Medien verstreut publiziert wurden, von (Online-)Zeitungen über Volltext bis zum Hörfunk.

Geschichten sind es im besten Sinne des Wortes, formal unterscheiden ließen sich reportageartige Stücke, Bildbeschreibungen, Radiotexte, Miniaturen, literarische Betrachtungen – sehr frei, sehr geschliffen und gerissen, sehr humorvolle und kluge Präauer-Literatur. Jeder Text wurde überarbeitet, meist mit der Originalüberschrift versehen und "gewisse Lieblinge gekillt".

Die Lust am Verstehen

Wo andere Stillstand und Zwangspause genutzt haben, ihr Hab und Gut zu sichten und gegebenenfalls auszumisten, hat sich die 42-jährige, in Wien lebende Schriftstellerin mit ihren eigenen Textbergen auseinandergesetzt.

Nach anfänglich harten Zeiten im ersten Lockdown stellte sich im Verlauf Erleichterung ein: "Je sinnloser alles rundherum wird, je bizarrer, umso klarer ist mir, wie mein Weg geht, umso klarer möchte ich mich ausdrücken und mein Werk entwickeln." Zum Gespräch auf offener Straße unter eisblauem Himmel erschien sie strahlend, liebenswürdig und frisch aus dem Friseursalon. Auch dieser wurde ein Thema, geht es dort bekanntlich besonders inspirierend zu.

Tatsächlich enthalten die Geschichten alles, was Präauer ausmacht, ihre Interessen, ihren Stil. Sie möchte "Auskunft geben über ihre Leidenschaften, sie sammeln und sich vor Augen halten, vielleicht auch für die Tage im Winter, wo es regnet". Kleine poetologische Aussagen finden sich im gesamten Buch, das fünf Motive durchziehen.

Spektakuläres und Abseitiges

Präauer rattert sie runter: "Kindheit und Jugend, alles Ästhetische, Mode, Videos, bildende Kunst." Und Literatur. Ihrer analytischen Herangehensweise geht die Lust am Verstehen voraus. Ihr Wunsch sei es, Worte zu finden für die "Dinge, die unsere Gegenwart ausmachen", für die Codes und Phänomene, speziell für das, was "grauenhaft und dreckig und kitschig" sei. Starke sprachliche oder visuelle Reize forderten sie heraus, die "Sprachmaschine anzuschmeißen".

Präauer setzt das Spektakuläre gleichwertig neben das Abseitige, das eine Fruchtfliege sein kann. Flirren möge es zwischen dem Schönen und Hässlichen. Dies ermöglicht ihr, die eigenen "Grenzen im Sehen zu begreifen und zu erweitern" und im Schreiben etwas zu bannen. Dabei empfinde sie Kontrolle und bleibe doch verunsicherbar.

Das Sprechen der Autorin ist konzentriert, gerichtet, melodisch. "Plappern über sich" ist nicht ihr Ding. Schreiben bedeute für sie Stille, Konzentration, wenngleich ihr derzeit die unverbindlichen Begegnungen fehlten. Wie allen.

Kafka und Kim Kardashian

Nachdem man das aufwendig gebastelte Arrangement mit einer koketten Pappautorin auf dem Cover des Glücksbohnen-Buches bewundert und nicht an Schlemmer-Figuren gedacht hat, könnte man die Lektüre zum Beispiel von hinten beginnen.

Dort geht es spielerisch zu: Das mehrseitige Register – bestehend aus dem Namedropping echter und relativer Prominenz aus Kunst, Literatur, Philosophie und Showbiz und einer Auflistung diverser Museen – zeigt, worum es in den Texten geht. Nämlich um ebendiese Menschen und Orte sowie ein diffuses Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Es macht Spaß, Paare zu entdecken: Bernhard steht vor der Band Bilderbuch, Brecht vor Brueghel, Damien Hirst hinter Audrey Hepburn, schön ist auch die Nähe von Kafka und Kim Kardashian.

Anfang und Ende der Liebe

Und jetzt rein in die Geschichten: "Streamen mit Präauer" ist immer ein Highlight, sie ersparen einem das Selberschauen oder drängen es einem geradezu auf. Die Autorin hat es auf die schreckliche Buntheit von Dokusoaps und trashigen Clips im Internet abgesehen, die sie wonniglich beschreibt.

Sie schaut etwa eine TV-Folge von Zwischen Tüll und Tränen, nachzulesen in präzis formulierter, lässiger Manier als verheulte Geschichte namens "Vom Kauf eines Hochzeitskleids", womit auf einen Schlag das Brautprofiwesen zerstört ist: "Die Geschichte vom Anfang und vom Ende der Liebe ist so alt, wie die Kleider in jeder Folge neu sind."

Lohnenswert sind auch der Besuch eines Pole-Dance-Studios oder die Museumsbesuche. Der Text "Ein Wandteppich von Kiki Smith" führt ins Untere Belvedere in Wien direkt vor die Jacquard-Tapisserie Parliament (2017), die Präauer in Worten abtastet, wobei sie zugleich über Kitsch und Wagnis der "poetischen Zeichnerin" Smith reflektiert.

Weil es Papier gibt

Präauer über ihr Verfahren: "Wenn ich ein Bild beschreibe, ist es dasselbe, wie wenn ich die Welt beschreibe." Im besten Fall führt es zu einer "Irritation des Blicks" auf Leserseite. Von Reiz sind weiters die Texte über Promis, die ins Landleben stolpern, etwa in "Als Britney uns besuchen kam". Könnte haarscharf nicht passiert sein, autobiografisches Erleben der Autorin trifft auf Fiktion.

All das gibt es nun, weil es Papier gibt. "Das Papierne ist das, worin wir uns bewegen, das, worin wir uns bewegen, ist papiern", sagt Präauer zu ihrem Schreiben und ihrem Lieblingsmaterial. In ihre Glücksbohnen-Geschichten schreibt sie sich quasi selbst als Ich-Figur ein, die so papieren ist wie die Figuren in ihren anderen Büchern. Bisher hat sie drei herausragende, eigenwillige Romane, den haarig-brillanten Essayband Tier werden und ein Kinderbuch veröffentlicht.

Begonnen hat alles 2009 mit einem damaligen Herzblutprojekt, dem Text-Bild-Bändchen Taubenbriefe von Stummen an anderer Vögel Küken. Es beinhaltet dreißig heraustrennbare Kartonblätter, "zum Versand in alle Welt geeignet". Wo sie auch hingeflogen sein dürften, denn die zweite Auflage ist seit kurzem ausverkauft.

Schreiben, Zeichnen, Malen

In diesem Debüt verbindet Präauer ihre Grundleidenschaften: Schreiben, Zeichnen und Malen. Schon immer habe sie beides getan, später nach ihrem Studium auch als bildende Künstlerin gearbeitet. Jetzt hänge sie am Schreiben, speise dieses aber immer ganz stark aus der Kunst.

2012 erschien ihr erster, hinreißend verdrehter Roman Der Herrscher aus Übersee, an dem sie "im Geheimen" über zwei, drei Jahre geschrieben hatte. Im Zweijahresrhythmus ging es weiter. Von Anfang an versteht sie die "Künstlichkeit als etwas Literaturimmanentes", macht sie sich zunutze und zeigt ihre Fähigkeit, Texte aus "Sprache zu bauen".

Mit einer Konzeption von Literatur, die die Fleischlichkeit von Figuren betone und aus deren Leben schöpfe, als ob sie beim Schreiben immer mit am Küchentisch säßen, kann sie nichts anfangen.

Was nicht heißt, dass Präauers Literatur blutleer ist, im Gegenteil: "Sie blutet ganz stark", sagt sie und lacht sich halb tot. Sie traue der Kunst viel zu, alles traue sie ihr zu. Mit den Worten tritt sie ab in die Sonne. (Senta Wagner, ALBUM, 20.3.2021)