"Future Challenge" für die "Wiener Zeitung".

Der Geschäftsführer der "Wiener Zeitung" hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der republikseigenen Tageszeitung nach STANDARD-Infos in der Nacht auf Freitag über eine Schonfrist für das Medium informiert: Das Justizministerium ändere den Entwurf für den geplanten Wegfall von Pflichtinseraten im Amtsblatt der "Wiener Zeitung". Die Maßnahme soll nun nicht schon in diesem Sommer umgesetzt werden. Sie kostet die "Wiener Zeitung" rund sieben Millionen von fast 20 ihres Jahresumsatzes.

"Aktuell keine Bedrohung"

Kurz nach Mitternacht schrieb Geschäftsführer Martin Fleischhacker der Belegschaft. das Justizministerium habe reagiert auf die Hinweise, wie massiv sich die geplante Streichung der Pflichtveröffentlichungen (Jahresabschlüsse von großen Aktiengesellschaften) auf die Wiener Zeitung auswirkt: "Es soll einen neuen Entwurf zur nationalen Umsetzung der EU Richtlinie geben, der im Unterschied zum ersten Entwurf aktuell keine Bedrohung für unsere Veröffentlichungspflichten mehr beinhaltet. Es finden aber auch weiterhin Gespräche zwischen den Regierungsparteien zu den zukünftigen Aufgaben des Unternehmens statt. "

Firmenbuchgericht als Postillon, Ball bei ÖVP

Der neue Entwurf aus dem Justizministerium soll nach Infos aus der "Wiener Zeitung" noch am Freitag vorliegen. Geplant ist offenbar: Große, schon bisher veröffentlichungspflichtige Aktiengesellschaften schicken ihre Jahresabschlüsse in druckfertiger Form dem Firmenbuchgericht, dieses leitet sie dann zur Veröffentlichung an die "Wiener Zeitung" weiter, die sie wiederum mit der Aktiengesellschaft verrechnet. Die EU-Richtlinie verlangt, dass Unternehmensinfos an eine zentrale Stelle zu melden sind.

Wenn diese Informationen zutreffen, würde der Ball bei der ÖVP liegen, dieser Umsetzung des Justizministeriums zuzustimmen.

Finanzierungskonzept, nicht mehr täglich

Bisher konnten sich ÖVP und Grüne nicht auf ein Finanzierungskonzept für die "Wiener Zeitung" einigen, das tägliche Onlinenews und eine wöchentliche oder monatliche Druckversion vorsehen soll.

Die Zeit drängte wegen der anstehenden Novelle (DER STANDARD berichtete bereits im Februar): Eine EU-Richtlinie verlangt, dass Mitgliedsstaaten eine zentrale Stelle für die Dokumentation von Unternehmensinformationen vorsehen. Das Firmenbuch ressortiert zum Justizministerium, Informationen über Eintragungen, Änderungen, aber auch gestaltete Jahresabschlüsse von großen Aktiengesellschaften sind bisher im Amtsblatt der "Wiener Zeitung" zu veröffentlichen.

Großteil des Jahresbudgets

Die Einnahmen aus diesen Pflichtinseraten machen den Großteil der fast 20 Millionen Euro Jahresumsatz der republikseigenen "Wiener Zeitung" aus. Im Regierungsübereinkommen von ÖVP und Grünen steht deren Abschaffung (wie schon in jenem der ÖVP mit der FPÖ und zumindest angedeutet in früheren Koalitionsabkommen).

Allein die Jahresabschlüsse großer Aktiengesellschaften machen rund sieben Millionen aus, sie wdersprachen laut Justizministerium der eigentlich bis Sommer umzusetzenden EU-Richtlinie. Nun soll dieser Teil der Umsetzung vertagt werden, um mehr Zeit für Verhandlungen über eine neue Finanzierungslösung zu schaffen.

Kommende Woche soll der Aufsichtsrat der Wiener Zeitung GmbH tagen, insbesondere zum Jahresabschluss 2020 und zur wirtschaftlichen Perspektive. Die ist mit der anstehenden Umsetzung einer EU-Richtlinie über Unternehmensinformationen nachhaltig infrage gestellt. Käme sie wie geplant und gäbe es keine Einigung über ein Finanzierungskonzept, müsste die Geschäftsführung vorsorglich Maßnahmen setzen, etwa Kündigungen aussprechen. Kolportiert, aber nicht bestätigt wurden Aufforderungen an den Geschäftsführer, rund 60 Kündigungen vorzubereiten. Die Redaktion der "Wiener Zeitung" umfasst derzeit rund 55 Vollzeitstellen.

Finanzierungskonzept

Das ÖVP-geführte, für Medien zuständige Kanzleramt soll in den vergangenen Wochen intensiv an alternativen Finanzierungsmöglichkeiten gearbeitet haben. Eine der – wie berichtet – kolportierten Überlegungen war etwa, das Firmenbuch aus dem Justizapparat herauszulösen und der Wiener Zeitung GmbH zu überantworten. Die EU-Richtlinie verlangt eine zentrale Stelle für Unternehmensinformationen, und die Wiener Zeitung GmbH übernimmt schon bisher hoheitliche Aufgaben für die Republik.

Journalismusausbildung

Weitere Finanzierungsvarianten kursierten schon lange vor dem Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium zur Umsetzung der EU-Richtlinie. Die "Wiener Zeitung" etwa als Institution der Journalismusausbildung mit praktischem Übungsfeld online und gedruckt. Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter plädierte etwa im STANDARD-Interview für diese Möglichkeit.

Ebenfalls ventiliert als Finanzierungs-Standbein unter mehreren: Die Wiener Zeitung GmbH könnte auch dem Bundespressedienst zuarbeiten oder Recherchetätigkeiten für den Bund übernehmen.

Ein Konzept mit solchen Finanzierungsvorschlägen soll das Bundeskanzleramt in die Koordinierung der Koalitionspartner vor dem Ministerrat gebracht haben. Bisher haben sich die Koalitionspartner ÖVP und Grüne aber, soweit erkennbar, nicht auf ein solches Konzept einigen können. Kolportiert werden Bedenken, dass eine Reihe von Agenden danach ins Bundeskanzleramt verlagert würden. Bestätigungen über diese STANDARD-Infos stehen aus.

"Können nicht einfach Geld zuschießen"

Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger erklärte vorige Woche: "Wir können nicht einfach Geld zuschießen. Die Frage ist, wie wir sie trotzdem retten können. Derzeit loten wir alle Varianten aus und lassen überprüfen, ob sie beihilfenrechtlich möglich sind. Eine schwierige Situation." Sie ging da wie berichtet schon fix vom Ende der Tageszeitung und einer "Transformation" in eine Wochenzeitung und/oder digitale Publikation aus. (fid, 18.3.2021)