Milliardäre wie Amazon-Gründer Jeff Bezos (Bild) oder Microsoft-Gründer Bill Gates versprechen, mit ihren Taten und ihrem Geld den Klimawandel und weltweite Armut zu bekämpfen. Aber nicht alle ihrer Ideen sind mehrheitsfähig.

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Wenn Microsoft-Gründer Bill Gates die Stimme erhebt, dann hören ihm Medien auf der ganzen Welt zu. Bringt er – wie zuletzt – ein Buch zum Klimawandel heraus, diskutieren wir seine Thesen wie neue Weisheiten. Wer zu den Günstlingen seiner Millionenspenden gehört, zeigt sich dankbar und demütig.

Seit der griechischen Antike ist die Philanthropie (übersetzt "menschenfreundliches Verhalten") die Tugend von Göttern, Herrschern und Helden. Bis heute sind es die Geschichten von Reichen und Bevorzugten, die sich voller Wohlwollen zu den Schwächeren herablassen.

Aber so bewundernswert ihre Taten auch scheinen mögen: Sie können auch problematisch werden. Denn wo Entscheidungen von einigen Superreichen abhängen, können demokratisch legitimierte Regierungen und Gemeinden an den Rand gedrängt werden. Dann werden Großspenden schnell zu öffentlichem Einfluss ohne demokratische Teilhabe. Wer profitiert, sind am Ende möglicherweise die Wohlhabenden und Philanthropen selbst.

Große Visionen

Die Philanthropie gibt es zwar schon lange, in ihrem Ausmaß ist sie heute aber unübertroffen. In den vergangenen beiden Jahrzehnten sind tausende wohltätige Stiftungen ins Leben gerufen worden, die sich der Armuts- und Krankheitsbekämpfung oder dem Klimawandel verschrieben haben. An der Spitze der Investoren und Wohltätigkeit stehen Milliardäre wie Jeff Bezos, Bill Gates oder Elon Musk.

Drei Dinge haben die Philanthropen gemeinsam: Sie sind marktbesessen, technologiebegeistert und wollen mit ihren Visionen und Weltanschauungen die gesamte Menschheit retten – wenn es sein muss, auch durch die Besiedelung anderer Planeten. Dafür investieren sie Milliarden, beeinflussen damit unsere Politik und Wirtschaft.

Gefahr für Demokratie

Mitunter kann das unsere Demokratien gefährden. Denn durch die Milliardenspenden und Investitionen setzen die Philanthropen Prioritäten bei Technologien, im Gesundheitswesen oder bei der Bildung, die mit demokratischer Meinungsbildung nichts oder nur wenig zu tun haben. Es mag sein, dass sich einige Spenden mit den Interessen der Bevölkerung decken. Genauso gut können sie es aber auch nicht tun.

Denn für Mehrheiten sind die meisten philanthropischen Pläne nicht gedacht. Amazon-Gründer Jeff Bezos will beispielsweise tonnenweise Weltraumsiedlungen bauen, in denen künftig bis zu einer Million Menschen leben können. Das soll "Plan B" für die Erde sein, wenn diese vom Klimawandel zerstört wird oder die dortigen Ressourcen erschöpft sind. Für mehrere Hunderttausend US-Dollar können interessierte "Touristen" bald selbst an den "Weltraummissionen" teilnehmen.

Steuervermeidung

Das Geld für sein Raumfahrtunternehmen Blue Origin nimmt Bezos zum größten Teil vom Verkauf von Amazon-Aktien – Aktien jenes Konzerns, der immer wieder in der Kritik steht, seine Belegschaft stark unter Druck zu setzen und auszubeuten. Schon in der Vergangenheit schlossen sich Amazon-Mitarbeitende zusammen, um den gewaltigen ökologischen Fußabdruck des Unternehmens zu kritisieren. Auch bei der Vermeidung von Steuern war das Unternehmen bisher negativer Spitzenreiter.

Elon Musks Pläne zur Rettung der Menschheit klingen ähnlich, auch wenn man dem Tesla-Gründer kaum vorwerfen kann, den eigenen Planeten schon abgeschrieben zu haben. Musk will in den nächsten fünf Jahren eine Kolonie auf dem Mars errichten. Für Normalsterbliche wird die Besiedelung aber eher nicht infrage kommen. Vielmehr wäre es eine "Ausweichmöglichkeit" für Wohlhabende.

Technologiezentriert

Kaum ein Milliardär will so viele Probleme der Menschheit auf einmal bewältigen wie Bill Gates. Seine Stiftung hat seit ihrer Gründung im Jahr 2000 mehr als 40 Milliarden US-Dollar gespendet. Ein guter Teil davon floss in Polio-Impfungen für Kinder überall auf der Welt. Das hat dazu beigetragen, dass die Krankheit bis 2020 beinahe ausgerottet wurde. Reinen Eigennutz kann man dem Milliardär also kaum unterstellen. Die Stiftung ist zudem bemüht, gegenüber vielen Expertenmeinungen und lokalen Gruppen offen zu sein.

Trotzdem erscheinen einige seiner Ideen, wie etwa jene zur Bekämpfung des Klimawandels, ein wenig zu technologieoptimistisch. Der Milliardär liebäugelt mit der Atomkraft, tausende kleine Nuklearreaktoren will er in den nächsten Jahren unterstützen. Die Risiken, die von diesen Technologien ausgehen, finden in seinem Buch und seinen Reden aber kaum Erwähnung. Zufällig gründete Gates auch ein Unternehmen mit, das solche Reaktoren bauen will.

Systemisches Problem

Dass wohltätige Unternehmer wie Jeff Bezos oder Bill Gates fördern, was sie selbst für gut und richtig halten, kann man ihnen nicht vorwerfen. Schließlich können sie über ihr Geld frei verfügen.

Das Problem liegt vielmehr in der Rolle und Verantwortung, die ihnen Staaten und Gesellschaften zuschreiben. Es ist als Armutszeichen unserer Regierungen zu verstehen, wenn sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nur noch zu einem Fünftel aus Beiträgen der Mitgliedsländer finanziert und der Rest von Spenden kommt (die Gates-Stiftung ist der größte Spender). Oder wenn einzelne Stiftungen mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben als alle Staaten dieser Welt zusammen.

Höhere Steuern für Reiche

Anstatt zutiefst staatliche Aufgaben wie den Klimaschutz, die Gesundheit oder die Bildung an einzelne Milliardäre und ihre individuellen Weltanschauungen auszulagern, sollten Regierungen und Bevölkerungen wieder mehr Macht in die Hand nehmen. Steuern für die Reichsten zu erhöhen wäre ein wichtiger Anfang. Dem Staat stünden damit mehr Mittel zur Verfügung, wichtige Herausforderungen wie die Corona-Pandemie oder den Klimawandel zu bekämpfen – und das alles auf demokratisch legitimierte Art und Weise, und ohne zu sehr auf die Problemlösungsstrategien einiger weniger zu setzen.

Diesen Schritt befürworten nicht zuletzt einige Philanthropen selbst. "Ich habe mehr Steuern als jeder andere Bewohner gezahlt, und das gern. Ich sollte noch mehr zahlen", sagte beispielsweise Bill Gates. Und auch der Investor Warren Buffett sprach sich bereits für höhere Steuern für Reiche aus.

Beitrag möglich

Noch ist die Bilanz jahrzehntelangen Wachstums der Philanthropie bestenfalls ernüchternd. Trotz des gewaltigen Booms tausender Stiftungen hat sich die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit innerhalb einiger Länder seither eher verstärkt als reduziert.

Dabei kann Philanthropie durchaus einen Beitrag leisten: Sie kann benachteiligte Gruppen stärken, die ansonsten keine Stimme hätten. Sie kann dabei helfen, neue Technologien zu erforschen, und dafür finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, die sich an den Problemen der Bevölkerung orientieren, ohne dabei die Aufgaben von Staaten oder Institutionen zu untergraben. Gelingt das, können wir einzelnen Wohltätern auch danken. Zu Rettern dieser Welt müssen wir sie aber nicht machen. (Jakob Pallinger, 11.4.2021)