Klischees, die nicht hinterfragt werden: Im Bergisel-Museum könnte nicht nur das Panorama mehr Kontext in der Darbietung vertragen.

Mario Webhofer

Die Tiroler sind stur und wehrhaft, einem Bauernrebellen namens Andreas Hofer treu ergeben und gegen Zurufe von außen resistent: So abgedroschen dieses Klischeebild auch sein mag, so munter wurde es zuletzt von Vertretern des Tiroler Politestablishments im Streit um die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie bedient.

Regt sich Widerstand im Heiligen Land, ist in der Außen- wie auch Innensicht rasch der Aufstand von 1809 zur Hand. Was auch an den unzähligen Darstellungen dieses Ereignisses liegen mag. Franz von Defregger hat sich daran ebenso abgearbeitet wie der Münchner Maler Michael Zeno Diemer. Er schuf 1896 das Riesenrundgemälde, ein auf rund 1000 Quadratmetern ausgebreitetes Schlachtenpanorama, auf dem die Tiroler Tracht und Kruzifixe vor sich hertragen und den Verwundeten von adretten Bauernmädchen Wein gereicht wird.

1917 diente das Gemälde auf der Kriegsausstellung in Wien Propagandazwecken – denn so lieblich wie inmitten des Tiroler Bergpanoramas starb es sich auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs mit Sicherheit nicht.

Auf dem Bergisel, wo das Rundgemälde vor zehn Jahren eine neue Heimat gefunden hat, erfährt man allerdings kaum etwas über derlei Aspekte des Panoramas. Was von Kritikern des offiziell auf den Namen Tirol Panorama getauften Museums immer wieder moniert wurde – und sich laut dem neuen Direktor der Landesmuseen, Peter Assmann, ändern soll.

Keine Halbwertszeit mehr

Er wolle, sagte Assmann zum STANDARD, künftig einen stärkeren "Fokus auf die Rezeption und Entwicklung des Rundgemäldes" legen. Allerdings liegen die Prioritäten vorerst anderswo, nämlich auf dem mit 36 Millionen Euro veranschlagten Umbau des Ferdinandeum und der Neuaufstellung des Zeughauses, das die historischen Sammlungen beherbergt. Der Bergisel muss sich hinten anstellen. Dabei hat die dortige Präsentation ihre Halbwertszeit bereits überschritten.

Im März 2011 wurde der 25 Millionen Euro teure Neubau eröffnet. Bereits die Planungsphase war von heftigen Kontroversen begleitet, das Projekt galt unter Kritikern stets als ein Denkmal, das Tirols Altlandeshauptmann Herwig van Staa sich selbst errichtet habe. Selbst der Museumsverein war nicht glücklich mit dem Projekt und wollte keine Exponate beisteuern. Was zur kuriosen Situation geführt hat, dass Leihgaben aus ganz Tirol zusammengetragen werden mussten. Selbst die gehäkelte Mütze von DJ Ötzi war damals im Gespräch, ins Museum eingezogen ist dann aber nur Toni Sailers Kopfbedeckung. Ein überfahrener Biber und allerlei Sportgerät gehört ebenfalls zum Repertoire.

Mittlerweile sind viele Leihverträge abgelaufen, einige wurden bereits verlängert. Der "Schauplatz Tirol" dürfte noch einige Jahre so bleiben, wie er ist: ein ziemlich bunt zusammengewürfeltes Kuriositätenkabinett, das die zahlreich vorhandenen Tirol-Klischees eher reproduziert, anstatt sie zu brechen.

Verstaubte Traditionspflege

"Ich kenne kein anderes Museum in Österreich, das unserem Demokratieverständnis derart fernstünde, gerade seit der Ort mit der Verlegung des Rundgemäldes aufgewertet wurde", urteilte der Museologe Gottfried Fliedl 2018 in seinem Museumsblog und reihte das Tirol Panorama in seinem Ranking der schlechtesten Museen Österreichs auf Platz zwei hinter dem Heeresgeschichtlichen Museum.

Nicht gerade zur Reputation des Museums hat auch das daran angeschlossene Kaiserjägermuseum beigetragen, dem inhaltliche Eigenständigkeit zugesagt wurde. Was dazu geführt hat, dass hier verstaubte Traditionspflege regiert. Ein unters Dach verbannter, mit Digitalia bestückter Europaraum ist mittlerweile auch schon hoffnungslos veraltet.

"Peinlich" nennt das auch Assmann und kündigt auch hier Neuerungen an. Allerdings: "Die Verträge sind halt leider so, dass wir nichts ohne Einverständnis der Eigentümer machen können."

"Grüß Göttin"

Was das Haupthaus betrifft, will Assmann in Zukunft auch Themen wie Migration oder Transit behandeln. Vorerst beschränken sich die Veränderungen auf das Museumsdach, auf dem Assmann zuletzt das von der Tiroler Künstlerin Ursula Beiler geschaffene und in Tirol heißdiskutierte "Grüß Göttin"-Schild aufstellen ließ.

Klischees, die nicht hinterfragt werden: Im Bergisel-Museum könnte nicht nur das Panorama mehr Kontext in der Darbietung vertragen. (Ivona Jelčić, 19.3.2021)