Zehntausende Menschen demonstrierten im September 2019 auf Wiens Straßen für mehr Klimaschutz. Unter ihnen: Werner Kogler – mit grüner Sonnenbrille, nur wenige Tage vor der Nationalratswahl. "Die Hauptverantwortung liegt bei der Politik", sagte er damals im Interview mit jungen Klimaschützern. Heute, rund eineinhalb Jahre später, ist der grüne Vizekanzler mitverantwortlich dafür, dass Fridays for Future erneut auf die Straße gehen. Beim mittlerweile siebten Weltklimastreik wird am Freitag protestiert. "Keine leeren Versprechen mehr", lautet das Motto der Aktivisten. Sie wollen "ÖVP und Grüne an ihre geteilte Verantwortung für Klimagerechtigkeit erinnern", sagt Veronika Winter von der Wiener Delegation.

Grünen-Chef Werner Kogler im September 2019 bei einem der letzten großen Klimastreiks vor Beginn der Covid-Pandemie.

"Einige tausend" vorwiegend junge Menschen haben den Veranstaltern zufolge an dem Protest in Wien teilgenommen. Ab 12 Uhr sammelten sich die Teilnehmer, unter anderem am Schottentor, dem Karlsplatz und dem Stubentor wurden Reden gehalten und Live-Musik gespielt. Auf der Wiener Ringstraße wurde – mit corona-konformen Abständen – eine drei Kilometer lange Menschenkette gebildet. Die Sperre führte zu Verkehrsproblemen. Gegen 14 Uhr war die Veranstaltung zu Ende, Zwischenfälle gab es keine. Umwelt-NGOs, AK und ÖGB unterstützen den Streik.

In Linz wurde in einer Kundgebung am Hauptplatz für die rasche Einführung des 1-2-3-Tickets demonstriert, während in Innsbruck eine Fahrrad-Demo und in Kufstein eine 24-Stunden-Mahnwache abgehalten wurde. In Salzburg wurde wie in der Bundeshauptstadt eine Menschenkette gebildet.

Ökosoziale Steuerreform und Klimaschutzgesetz

So groß wie vor der Pandemie, als Zehntausende fürs Klima protestierten, wurde der Streik nicht. Damit haben die Veranstalter auch nicht gerechnet. "Wir verstehen uns aber auch als Sprachrohr für die vielen Menschen, die für mehr Klimaschutz eintreten, aber wegen der Pandemie nicht demonstrieren können", sagt Winter.

"Wir sind enttäuscht, dass sich die Grünen nicht vehementer für den Klimaschutz eingesetzt haben und dass die ÖVP blockiert hat", sagt Aktivistin Viktoria Winter.
Foto: APA/Georg Hochmuth

"Wir sind enttäuscht, dass sich die Grünen nicht vehementer für den Klimaschutz eingesetzt haben und dass die ÖVP blockiert hat", sagt Winter. Die wichtigsten Forderungen: Eine "ökosoziale Steuerreform mit angemessenen CO2-Preisen" und ein "starkes Klimaschutzgesetz, damit die Klimaziele verbindlich werden", sagt Winter.

Mit der Pandemie ist die Klimakrise in den Hintergrund gerückt, die Sorgen der Aktivisten fanden kaum Gehör. Zugleich habe sich die Krise positiv auf die Bewegung ausgewirkt: "Wir verzeichnen einen großen Zulauf an Aktivisten", sagt Winter. Viele junge Menschen seien von Zukunftsangst und den psychischen Folgen der Pandemie betroffen, die Klimaproteste würden eine Perspektive schaffen.

Im Gegensatz zu den Corona-Demos, die zuletzt in der Bundeshauptstadt stattgefunden haben, setzt die Jugendorganisation auf Sicherheit: Wer sich krank fühlt, soll zu Hause bleiben, schreiben sie allen Teilnehmern. Maske und Abstand sind Pflicht; sogenannte Ordner und Redner müssen zudem einen negativen Corona-Test vorweisen können.

Regierung bei Klimathemen säumig

Grund zu demonstrieren haben sie genug: Sowohl in der Umsetzung der ökosozialen Steuerreform als auch beim Klimaschutzgesetz ist die Regierung säumig. Im Vorjahr wurde nur rund die Hälfte der geplanten Schritte der Ökosteuerreform umgesetzt, die Gesetzesnovelle hätte mit Jahreswechsel veröffentlicht werden sollen.

Woran hakt es? Am Geld nicht: Tatsächlich konnten sich die Regierungsparteien auf die von NGOs lange geforderte Klimamilliarde einigen. Auch darüber hinaus wurden die Töpfe üppig gefüllt. Doch an den Ideen, wie Klimaschutz aussehen soll, scheiden sich die Geister in der Koalition. Das zeigte sich etwa beim Erneuerbaren-Gesetz. Die Volkspartei sieht die Zukunft im grünen Gas und Wasserstoff; die Grünen wollen Wind- und Sonnenenergie ausbauen. Darüber hinaus monieren einige Grüne wiederholt den starken Einfluss der Interessenvertreter aus der Wirtschaft in den Verhandlungen.

Corona keine Ausrede

"Es müssen mehr Maßnahmen auf den Boden gebracht werden", fasst es Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von Global 2000, zusammen. Er spricht von einer "Placebopolitik": Nach wie vor würden viele Versprechungen gemacht, aber nur wenig umgesetzt. Auch Corona sei für viele noch fehlende Maßnahmen keine Ausrede, sagt Wahlmüller – als Beispiel nennt er die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen.

"Der große Koalitionspartner ist die größte Klimaschutzbremse im Land", sagt Greenpeace-Klimasprecher Adam Pawloff.

Von guten Ideen im Koalitionsprogramm sei erst wenig umgesetzt worden, sagt auch Greenpeace-Klimasprecher Adam Pawloff. Das Schneckentempo in Österreichs Klimapolitik schreibt er vor allem der ÖVP zu: "Der große Koalitionspartner ist die größte Klimaschutzbremse im Land." Die Lockdowns hätten zwar den Wind aus den Segeln der Klimabewegung genommen, meint Pawloff, die neue Präsenz auf der Straße würde den Druck zurückbringen. (Oona Kroisleitner, Nora Laufer, red, 19.3.2021)