Die Karten liegen offen auf dem Tisch: Statt "Partner" heißt es nun "Killer". Wobei der Begriff "Partner" in der jüngeren Vergangenheit von Russlands Präsident Wladimir Putin schon ironisiert und bewusst in Anführungszeichen gesetzt wurde, wenn er vom Westen sprach. Nun wird der Umgangston zwischen Washington und Moskau noch einmal deutlich rauer.

Geht es nach US-Präsident Joe Biden (re.), hat sein russischer Amtskollege Wladimir Putin (li.) den Blick eines "Killers".
Foto: AFP / ALEXANDER NEMENOV; MANDEL NGAN

Auslöser ist das Interview des US-Senders ABC mit US-Präsident Joe Biden, das schon vor seiner vollständigen Veröffentlichung erste Wellen diesseits des Großen Teichs schlug. Denn die wenigen Passagen, die vorab gesendet wurden, hatten es schon in sich: Als Moderator George Stephanopoulos Biden fragte, ob er Russlands Präsidenten Putin für einen Mörder halte, antwortete dieser nach kurzem Zögern: "Ja, das tue ich."

Warnung wegen Wahleinmischung

Zugleich warf Biden Russland Einmischung in die US-Wahlen – nach 2016 nun auch 2020 – vor und drohte dem Kreml mit den entsprechenden Konsequenzen. Er kenne Putin sehr gut und habe ihm vor der Wahl angekündigt, auf eventuelle Manipulationsversuche zu reagieren. Putin habe darauf versichert, er habe verstanden, so Biden.

Konkret wurde Biden weder bei den Einmischungs- noch den Mordvorwürfen. Auch der Bericht des US-Geheimdienstes bezüglich der russischen Wahlmanipulation bleibt mit der Formulierung schwammig, Putin und die russische Regierung hätten Maßnahmen "genehmigt und durchgeführt", die die Wahl zugunsten Donald Trumps beeinflussen und Unfrieden im Land schüren sollten. Die Sanktionen darauf könnten trotzdem schon in der nächsten Woche bekannt gegeben werden.

Empörung in Moskau

Moskau reagiert derweil schon jetzt sichtlich verärgert: Das Außenministerium berief in einem laut Außenamtssprecherin Maria Sacharowa "beispiellosen Schritt" den eigenen Botschafter in Washington Anatoli Antonow zu Konsultationen nach Moskau ein, um die Perspektiven der bilateralen Beziehungen, "die von Washington leider in die Sackgasse geführt wurden", zu überprüfen.

Derweil nannte Duma-Chef Wjatscheslaw Wolodin Bidens Äußerungen "verrückt". So könne sich kein Staatschef verhalten, dessen Land moralisches Vorbild sein wolle, schließlich seien die Anwürfe gegen Putin ein Angriff auf Russland selbst. "Es gibt nur eine Erklärung: Hysterie aufgrund der eigenen Hilflosigkeit", weil es nicht gelungen sei, Russland durch Sanktionen und Erpressung kleinzukriegen.

Senator Andrej Turtschak aus dem Föderationsrat sprach vom "Triumph des politischen Irrsinns der USA und der Altersdemenz ihrer Führer", wobei er die "Aggression" ebenfalls auf Hilflosigkeit zurückführte: Russland habe das beste Covid-19-Vakzin weltweit, traditionelle Werte, die Krim und einen Staatschef, dem das Volk vertraue. Die USA hingegen steckten mitten in der Pandemie, in der Abspaltung von Staaten, in "Gender- und Transgender"-Streitigkeiten. Und die Bürger misstrauten der Politik.

Putin wünscht Gesundheit

Gelassener nahm der Kreml-Chef selbst die Vorwürfe auf – mit einem russischen Sprichwort, das sich in etwa mit dem Rat, nicht von sich auf andere zu schließen, übersetzen lässt. "Ich würde ihm antworten: Bleiben Sie gesund", sagte Putin zudem und versicherte, den Wunsch ernst zu meinen.

Allerdings gilt der russische Präsident nicht als Mensch, der eine Kränkung leicht vergisst. In jedem Fall dürften Bidens Aussagen eine Annäherung der beiden Atommächte auf absehbare Zeit erschweren. Ein Treffen der Staatschefs in näherer Zukunft scheint ausgeschlossen, auch die diplomatischen Kanäle verengen sich durch die Wortwahl Bidens weiter. Das Interesse an einer Wiederbelebung der Beziehungen ist aber ohnehin beidseits des Atlantiks gering. Die Verlängerung des Atomwaffensperrvertrags New Start haben Moskau und Washington glücklicherweise bereits vereinbart.

Zeichen weiter auf Konfrontation

Ansonsten stehen die Zeichen weiter auf Konfrontation: Bereits am Mittwoch hat das US-Finanzministerium die Sanktionen gegenüber Russland wegen der Giftattacke gegen den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny noch einmal verschärft, auch wenn die neuen Formulierungen bei den Exportbeschränkungen laut dem Moskauer Politologen Iwan Timofejew eher symbolischer Natur sind.

Der Rubel reagierte augenblicklich mit einer Abwertung. Politische Beobachter erwarten, dass sich die Sanktionsspirale in den kommenden Wochen noch weiterdrehen wird – denn auch Moskau wird versuchen, eine für Washington schmerzhafte Antwort auf die Restriktionen zu finden. (André Ballin aus Moskau, 18.3.2021)