Für Bundeskanzler Sebastian Kurz war es am Donnerstag natürlich ein Leichtes, von Wien nach Berlin zu reisen. Sein Flieger landete am späten Morgen, sodass er den ganzen Tag für politische Termine in der deutschen Hauptstadt nutzen konnte.

Kanzlerin Angela Merkel hatte keine Zeit für Sebastian Kurz. Der traf den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in dessen Amtssitz, Schloss Bellevue.
Foto: EPA/SEAN GALLUP

Eine solche Reisefreiheit wünschen sich auch viele Österreicherinnen und Österreicher wieder, vor allem jene, die in Tirol wohnen und öfter einmal ins benachbarte Bayern fahren wollen oder müssen.

Ihnen wollte Kurz nach seinem ersten Gespräch mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer (CSU) Hoffnung machen. Er rechne mit einem baldigen Ende der scharfen Grenzkontrollen, erklärte er nach dem Treffen. Seehofer habe versichert, man solle diese "so schnell wie möglich wieder abbauen". Kurz: "Ich gehe davon aus, dass das in den nächsten ein bis zwei Wochen der Fall ist."

Österreichische Hoffnung

Allerdings hatte Seehofer erst am Tag davor die Grenzkontrollen für weitere 14 Tage verlängert. Doch auch er hofft, dass diese zwei Wochen nicht voll ausgeschöpft werden. Er will das Infektionsgeschehen in Tirol beobachten.

Kurz verwies darauf, dass sich dort die Lage deutlich verbessert habe, der Kampf gegen die südafrikanische Virusmutation verlaufe sehr erfolgreich. Es sei gelungen, diese von 200 auf 60 Fälle zu drücken.

In Tirol sorgt die Verlängerung der Grenzkontrollen für großen Ärger. Landeshauptmann Günther Platter weist darauf hin, dass der Anteil der südafrikanischen Variante an allen Infektionen in Tirol nur noch bei 3,5 Prozent liege. Im Saarland hingegen betrage der Anteil bereits 15 Prozent.

Tirol an den Pranger gestellt

"Trotzdem wird Tirol bewusst an den Pranger gestellt, während man in Deutschland auch weiterhin auf strenge Kontrollmaßnahmen zur direkt angrenzenden französischen Region Moselle verzichtet", kritisiert Platter.

Die Entwicklungen im Saarland beunruhigen auch die deutsche Regierung. "Das ist der höchste Anteil mit Abstand in ganz Deutschland", sagt der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Auch ihn traf Kurz bei seinem Besuch in Berlin. Thema war natürlich die schleppende Impfkampagne. Deutschland hatte ja, nachdem mehrere Personen nach einer Impfung mit Astra Zeneca eine seltene Hirnvenenthrombose erlitten hatten, die Impfungen mit diesem Mittel gestoppt, während Österreich weiterimpfte.

Mehr Möglichkeiten beim Reisen erwartet Kurz dann, wenn der grüne Pass für Geimpfte, Getestete und Genesene im Umlauf ist. "Der grüne Pass ist die Chance für mehr Freiheit in Österreich, aber auch was die Reisefreiheit innerhalb Europas betrifft, und dies bereits vor und vor allem während des Sommers", sagte er.

Merkel hatte keine Zeit für Kurz

Keine Zeit für Kurz hatte übrigens die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die der Kanzler normalerweise bei seinen Berlin-Visiten zum Gespräch trifft. Die beiden telefonieren jedoch derzeit mindestens einmal pro Woche. Auch Deutschland kämpft wie Österreich wieder mit steigenden Infektionszahlen, wenngleich die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland mit 90 deutlich niedriger als in Österreich (221) ist.

Kurz betonte, dass ihm in seinen Gesprächen mit deutschen Politikern kein Unverständnis darüber entgegenschlage, dass Österreich trotz einer viel höheren Inzidenz stärker gelockert habe als Deutschland. So sind in Deutschland nach wie vor die meisten Läden geschlossen, wer Kleidung benötigt, muss online shoppen. Doch in deutschen Politkreisen war deutlicher Unmut zu hören, als Österreich vor einigen Wochen lockerte. Vor allem in Bayern wird nämlich das Infektionsgeschehen beim südlichen Nachbarn mit Argusaugen beobachtet.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betont immer wieder, dass man "kein zweites Ischgl" wolle. Von dort sind zu Beginn der ersten Welle im Frühjahr sehr viele Infektionen nach Bayern eingeschleppt worden. Söder war es auch, der sich beim Auftreten der südafrikanischen Variante in Tirol für Grenzkontrollen starkmachte. Diesem Wunsch kam sein Parteifreund Seehofer dann nach.

Abendtermin bei Springer

Neben einem Treffen mit dem deutschen Bundespräsidenten und dem neuen CDU-Chef Armin Laschet stand auch noch ein Abendessen im Springer-Verlag (Bild, Welt) auf dem Programm. Dort ist Kurz ein gerngesehener Gast, er gibt beiden Blättern auch immer wieder große Interviews. Allerdings ist Bild-Chefredakteur Julian Reichelt gerade freigestellt, es werden Vorwürfe wegen möglichen Machtmissbrauchs gegenüber weiblichen Angestellten untersucht.

Kurz war von Springer eingeladen worden, um bei der Verleihung des Axel-Springer-Award die Laudatio auf die beiden Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin zu halten. Deren Unternehmen hat seinen Sitz im rheinland-pfälzischen Mainz. (Birgit Baumann aus Berlin, 17.3.2021)