Sigrid Kaag, bisher Ministerin für Außenhandel, könnte aufsteigen.

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Mit einem ausgelassenen Tänzchen stahl am Wahlabend in den Niederlanden die Zweitplatzierte dem eigentlichen Wahlsieger die Show. Mark Rutte, seit elf Jahren als Premierminister der Niederlande in Amt und Würden, mag mit seiner rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) die Parlamentswahl zwar gewonnen haben – alle Augen zwischen Maastricht und Groningen waren trotzdem auf Sigrid Kaag gerichtet, die Spitzenkandidatin der linksliberalen D66.

Denn so vorhersehbar der Sieg des populären Rutte auch war, so überraschend ihr Zugewinn: 24 der insgesamt 150 Sitze wird D66 künftig im Haager Unterhaus füllen, um fünf mehr als 2017: Sigrid Kaag (59), bisher Außenhandelsministerin in Ruttes Kabinett, war der Star des Abends. Entsprechend ausgelassen feierte die ehemalige UN-Gesandte im Nahen Osten ihren Coup: Ein Video, das sie in der Parteizentrale nach der ersten Hochrechnung auf dem Tisch tanzend zeigt, wurde zum Hit.

Hauptmotivation Corona

Doch auch Rutte, der nun drauf und dran ist, längstdienender Regierungschef in Den Haag zu werden, darf zufrieden auf die Wahl blicken, die – inmitten der Corona-Pandemie – keine allzu großen Veränderungen der politischen Landschaft brachte.

35 und damit zwei Sitze mehr darf seine VVD künftig für sich beanspruchen. Einer Umfrage des Senders NOS und des Instituts Ipsos zufolge verdankt Rutte sie seiner Corona-Politik, die für 73 Prozent der Wählerinnen und Wähler dieses Mal die wichtigste Motivation war, an die Urnen zu schreiten.

Ruttes Wahlversprechen, das Land nach Ende der Pandemie wieder aufzubauen, zog in dem flachen Land an der Nordsee, das zu Beginn der Pandemie lange zögerte, einen ähnlich harten Lockdown wie ringsum zu verhängen. Seit Ende Jänner macht Rutte hingegen Ernst: Eine nächtliche Ausgangssperre führte zu heftigen Krawallen.

Debakel für die Linke

Während Ruttes schon bisheriger Koalitionspartner D66 überraschend zweitstärkste Kraft wurde, verzeichnen die beiden anderen im Bunde durchwachsene Ergebnisse. Die Christenunie stagniert bei fünf Sitzen, die einst staatstragende christdemokratische Partei CDA verlor deren vier. Ob sie weiter im Kabinett Platz findet, ist unklar.

Zu einem Fiasko wurde die heuer pandemiebedingt an gleich drei Tagen veranstaltete – und wegen eines Kindergeldskandals vorgezogene – Parlamentswahl für die Linke: Sowohl die Sozialisten als auch Groenlinks wurden jeweils fast halbiert und müssen künftig mit neun beziehungsweise sieben Mandaten ihr politisches Auslangen finden.

Die extreme Rechte hingegen geht gestärkt aus der Wahl hervor. Das Forum für Demokratie von Thierry Baudet, der sich seiner Verbindungen zur US-Alt-Right-Szene rühmt und am entschiedensten gegen den Lockdown aufgetreten war, kommt auf acht Mandate, was einen Rekordzugewinn bedeutet. Das rechte Urgestein Geert Wilders bleibt mit 17 Sitzen (minus zwei) zwar stark, fällt aber auf Rang drei zurück. (Florian Niederndorfer, 18.3.2021)