Nach einer Reihe von Pannen von zentraler Stelle rehabilitiert: der Corona-Impfstoff von Astra Zeneca.

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In den Staatskanzleien einer Reihe von EU-Ländern fieberte man in den vergangenen Tagen auf diesen Moment hin. Ein Dutzend Staaten hatten nach Berichten über schwere Zwischenfälle zu Beginn der Woche ihre Impfungen mit dem Astra-Zeneca-Vakzin AZD1222 unterbrochen – nun sollte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) Klartext sprechen.

Am Donnerstag um 17 Uhr verkündete die Amsterdamer Behörde in einer Online-Pressekonferenz schließlich das Ergebnis ihrer Untersuchungen: Der im englischen Oxford entwickelte und bisher in der EU sieben Millionen Mal verimpfte Impfstoff gegen das Coronavirus sei sicher und effektiv – auch wenn man mögliche Zusammenhänge mit Thrombosen, wie sie in einigen EU-Staaten bei Geimpften aufgetreten sind, "nicht definitiv ausschließen" könne. Donnerstagabend tagten daraufhin die nationalen Impfgremien in der EU.

Frage: Was konkret empfiehlt die EMA?

Antwort: "Die Impfung ist sicher und wirksam", erklärte EMA-Chefin Emer Cooke. Die Vorteile des Vakzins überwiegen auch nach genauester Untersuchung der gemeldeten Vorfälle weiterhin die Risiken. Die Datenlage sei aber noch nicht ausreichend, um sicher sagen zu können, ob ein Zusammenhang zwischen den aufgetretenen, äußerst seltenen Fällen von Thrombosen der Hirnvenen ausgeschlossen werden kann oder nicht. Die Untersuchungen dazu sollen weitergehen. Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte, die die Impfung durchführen, sollten sich aber regelmäßig über individuelle Risiken informieren und ihren Gesundheitszustand beobachten. Und auch auf dem Beipackzettel des Vakzins soll künftig über mögliche Risiken informiert werden. Zu früh sei es aber, um abzuschätzen, ob junge Frauen besonders von Thrombosen nach einer Impfung mit AZD1222 betroffen seien, wie es einige Fälle andeuten.

Frage: Was hat die Prüfung der EMA genau ergeben?

Antwort: Die EMA stellte fest, dass die Impfung nicht mit einem grundsätzlichen Thromboserisiko einhergeht. Jedoch traten bei 25 Personen der insgesamt 20 Millionen Geimpften innerhalb der EU und Großbritannien seltene thrombotische Ereignisse auf. In sieben Fällen kam es zu disseminierten intravasalen Gerinnungen – das sind Gerinnungsstörungen in Kombination mit einem Mangel an Blutplättchen. In den anderen 18 Fällen traten Hirnvenenthrombosen auf, sogenannte Sinusvenenthrombosen. Sie führen zu Blutgerinnseln in den Venen des Gehirns. Ein Zusammenhang mit der Impfung konnte nicht nachgewiesen, aber auch nicht vollständig ausgeschlossen werden. Es werden deshalb weitere Untersuchungen durchgeführt.

Frage: Warum hat die EMA den Einsatz des Astra-Zeneca-Impfstoffs erneut geprüft?

Antwort: Auslöser war die Empfehlung des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) am Montag, Impfungen mit dem Vakzin vorübergehend auszusetzen. Als Grund wurden sieben Fälle von schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen und Blutungen genannt, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung in Deutschland gemeldet wurden. Bei 1,6 Millionen Geimpften in Deutschland entsprechen sieben Fälle insgesamt rund vier Fällen pro eine Million geimpfter Menschen seit Start der Impfungen Anfang im Februar – damit lag die Zahl der beobachteten Fälle laut dem PEI über der statistisch zu erwartenden Anzahl. Ein kausaler Zusammenhang ließ sich bisher aber nicht herstellen. Die EMA prüfte nun, ob und wie sich diese Erkenntnisse auf das Nutzen-Risiko-Profil des Astra-Zeneca-Impfstoffs und dessen Zulassung in der EU auswirken. Bis Donnerstag wurden in Deutschland insgesamt 13 Fälle von Hirnvenenthrombosen gemeldet.

Frage: Was war über die Betroffenen bekannt?

Antwort: Die vom PEI gemeldeten Fälle betrafen mehrheitlich Frauen im mittleren Alter. Bei ihnen kam es zu Sinusvenenthrombosen. Drei von ihnen starben. Auch mindestens ein Mann war von vergleichbaren Hirnblutungen betroffen, es liegen aber nicht zu allen Fällen genauere Angaben vor.

Frage: Welche Länder haben den Einsatz von Astra Zenecas Impfstoff bis dato ausgesetzt?

Antwort: Vor rund einer Woche waren die nordischen Länder Dänemark, Norwegen und Island die ersten Staaten, die die Verimpfung des Vakzins stoppten. In den Tagen darauf folgten mehr als ein Dutzend Staaten – hauptsächlich aus der Europäischen Union. Zuletzt entschlossen sich Schweden, Lettland, Zypern und Luxemburg am Mittwoch, diesen Schritt zu setzen. Unter anderem kündigten Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien Donnerstag an, demnächst wieder mit Astra Zeneca zu impfen.

Frage: Wie war die Reaktion der Europäischen Union?

Antwort: Die Kommissarin für Gesundheit, Stella Kyriakides, rief am Dienstag die Mitgliedsstaaten dazu auf, alle ihre Impfdosen zu verwenden. "Das Ausrollen der Impfung ist mehr denn je der Schlüssel, um die Zahl der infizierten Menschen zu reduzieren", sagte die Kommissarin. Auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sieht die Lösung auf einer "gesamteuropäischen Ebene". Alle Staaten der EU sollten sich bei diesem Vakzin an die Empfehlungen der EMA halten – statt Alleingänge zu unternehmen.

Frage: Wie haben Länder außerhalb Europas reagiert?

Antwort: Es gibt Staaten, die sich für die Fortführung der Verimpfung des Astra-Zeneca-Vakzins eingesetzt haben, wie etwa Nigeria, Australien, Mexiko und die Philippinen. Thailand hat zwar die Verwendung von Astra Zeneca im Rahmen des nationalen Impfprogramms verzögert, doch gab Premier Prayut Chan-ocha am Dienstag demonstrativ im Livefernsehen den Startschuss und ließ sich eine Dosis verabreichen. (Bianca Blei, Eja Kapeller, Florian Niederndorfer, David Rennert, 18.3.2021)