Foto: Matthias Cremer

Rund 223 Millionen Euro haben Österreichs staatliche Stellen und staatsnahe Betriebe im vergangenen Jahr für Werbung ausgegeben. Die gewaltige Summe, DER STANDARD berichtete bereits, lohnt einen zweiten, etwas genaueren Blick auf die vorige Woche von der Medienbehörde Komm Austria veröffentlichten Medientransparenzdaten.

Nicht nur Bund, Länder und Gemeinden selbst, sondern auch Unternehmen, die zu einem bestimmten Teil vom Staat kontrolliert werden, müssen ihre Ausgaben für Werbung jedes Quartal an die Medienbehörde melden.

Am liebsten wirbt die öffentliche Hand dabei in der "Krone": Rund 25,8 Millionen Euro flossen 2020 an die reichweitenstärkste und mächtigste Zeitung des Landes, ein Plus von 35 Prozent gegenüber 2019. Danach folgt der ORF (24,2 Millionen), "Heute" (16 Millionen) und die Mediengruppe Österreich (15,4 Millionen).

Allerdings kommt nur ein kleiner Teil, nämlich 47 der 223 Millionen, direkt von den Ministerien selbst. Die Vorliebe für den Boulevard schlägt sich auch in den gemeldeten Daten der Ministerien durch: Rund vierzig Prozent der ministeriellen Etats gehen an "Krone", "Heute" und "Österreich", der Rest teilt sich auf Österreichs andere großen Mediengruppen und hunderte Nischen- und Regionalmedien auf.

Verwunderung über Schaltungen in "Falstaff"-Magazin

Einige dieser kleineren Medien konnten sich 2020 über größere Steigerungen freuen. Einige Beispiele:

  • Das Gratismagazin "Österreich sicher", das von einer Tochtergesellschaft des Echo-Verlags herausgegeben wird, sammelte etwa 244.000 Euro von Finanz-, Innen- und Verteidigungsministerium ein, nachdem es 2019 keine Aufträge vom Bund erhalten hatte.
  • Das Privatradio 88,6 steigerte seine Einnahmen aus öffentlichen Aufträgen um 196 Prozent auf 537.000 Euro, rund 186.000 davon kamen von den Ministerien.
  • Die kostenlose, monatlich in Niederösterreich erscheinende "Stadtlandzeitung" bekam 2020 öffentliche Inserate in Höhe von 148.000 Euro – ein Plus von 93 Prozent gegenüber 2019.
Eine Berechnung ohne genaueren Blick: In den Werten ist die Corona-Sondermedienförderung enthalten – auch für den "Falstaff", der 115.810 Euro Sonderförderung erhielt (und sonst keine formelle Presseförderung).
  • Für Erstaunen – etwa auf Twitter – sorgte nach Veröffentlichung der Daten über das dritte Quartal 2020 auch das "Falstaff"-Magazin. Für rund 750.000 Euro inserierte die öffentliche Hand im vergangenen Jahr in dem Medium des schon einigen Regierungsparteien nahen PR-Experten Wolfgang Rosam, ein Plus von 85 Prozent. Der Bund inserierte dabei um rund 110.000 Euro, was etwa viermal so viel ist wie im Jahr davor. Der Rest kam großteils von Tourismusverbänden und Wirtschaftskammer – auch sie müssen ihre Ausgaben laut Medientransparenzgesetz melden. Die auf Twitter heftig diskutierte Aufstellung über das dritte Quartal enthält auch Corona-Sondermedienförderungen – der "Falstaff" bekommt als Monatstitel keine reguläre Presseförderung, im Corona-Jahr aber 115.810 Euro Sonderförderung. Ohne die Förderung liegt die Steigerung von Quartal 3 2019 auf Quartal 3 2020 bei immerhin noch 280 Prozent. Wien und Wien Energie inserierten 2019 im vierten Quartal und nun im dritten. Einige Ministerien buchten 2020 neu, das Finanzministerium vervierfachte seine Buchung auf rund 20.000 Euro im dritten Quartal 2020 gegenüber 2019. Die Steigerungen im Jahresvergleich in den anderen Quartalen beim "Falstaff": 54 Prozent im Q1, 124 Prozent im Q2 und 1,9 Prozent im Q4 2020.

Intransparente Aufbereitung

Wer wo wie viel wirbt, ist den Daten aber nicht immer einfach zu entnehmen. Das liegt einerseits an teils komplizierten Firmengeflechten – sowohl aufseiten der meldepflichtigen Stellen als auch aufseiten der Medienunternehmen. Die Stadt Wien direkt schaltete 2020 etwa Werbung um 24 Millionen Euro – von der Stadt kontrollierte Unternehmen wie die Wiener Linien, die für 1,2 Millionen Euro warben, oder das Wiener Wohnservice (674.000 Euro) sind da noch nicht enthalten.

So müsste man auch Ausgaben etwa von Verbund oder Österreich Wein Marketing GmbH aliquot der Stadt Wien zurechnen, an denen die Stadt – teils über Umwege – rund zwölf respektive zehn Prozent hält. Insgesamt würde die Stadt Wien für das Jahr 2020 so auf einen Werbeetat von 32 Millionen Euro kommen – mindestens. Solche Konstruktionen gibt es freilich auch in anderen Bundesländern.

Fraglich ist, wie sinnvoll es ist, die Werbeausgaben von solchen Unternehmen, die oft auch teilweise im Privatbesitz sind, dem Staat zuzurechnen. Der Vorwurf der verstecken Medienförderung oder gar politischen Einflussnahme verblasst dabei etwas – schließlich müssen Energieversorger, Verkehrsunternehmen oder Kultureinrichtungen zum Teil betriebswirtschaftlich agieren und haben argumentierbaren Werbebedarf.

Daten unvollständig

Für Verwirrung können auch die von den meldepflichtigen Stellen eingegebenen Namen und Bezeichnungen sorgen, auch wenn sie korrekt eingegeben werden. So meldete die Stadt Wien vergangenes Jahr Ausgaben in Höhe von 464.000 Euro an "Immo aktuell". Im Internet findet man unter diesem Namen nur ein auf eine sehr kleine Zielgruppe ausgerichtetes Fachmagazin.

Auf STANDARD-Nachfrage stellte die Stadt Wien klar: Bei "Immo aktuell" handelt es sich um eine Beilage von "Österreich", die unter einem eigenen Impressum erscheint und deshalb gesondert gemeldet werden müsse. Medieninhaber der Beilage ist übrigens die Inside Wirtschaftskompetenz GmbH. Deren alleiniger Eigentümer: Niki Fellner.

Gesetzliche Ausnahmen

Dazu öffnet das Medientransparenzgesetz selbst Lücken: Bleibt die Auftragssumme pro Medium und Quartal unter 5.000 Euro – der sogenannten Bagatellgrenze –, muss der Medienbehörde zudem nichts gemeldet werden. Der Rechnungshof schätzt, dass deshalb ein Drittel bis zur Hälfte der öffentlichen Werbeaufträge nicht in den veröffentlichten Listen aufscheint. (Philip Pramer, 22.3.2021)