Epidemiologin und SPÖ-Chefin: Pamela Rendi-Wagner fordert eine Rücknahme der "verfrühten Öffnungsschritte".

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Geht es nach SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, steht der nächste Lockdown de facto bereits vor der Tür: Es gelte, den "besorgniserregenden Aufwärtstrend" vor allem bei der Belegungszahl auf den Intensivstationen zu stoppen, erklärte sie im Ö1-"Morgenjournal" am Freitag – Schulschließungen oder eine Verlängerung der Osterferien, wie seit kurzem diskutiert wird, müssten dabei allerdings "das letzte Mittel sein".

Die Zahlen würden zeigen, dass Österreich "in zwei, drei Wochen, was die Belegung auf den Intensivstationen betrifft, tatsächlich an einem kritischen Punkt" anlange, sagt Rendi-Wagner: "Da muss man rechtzeitig gegensteuern. Und da kann man wahrscheinlich nichts ausschließen, auch nicht eine Verlängerung der Osterferien."

Drohender Kollaps

Einmal mehr erklärte die SPÖ-Chefin, was auf dem Spiel stehe: Es gelte, einen Kollaps der österreichischen Intensivstationen zu verhindern. Weil die neue Mutation des Virus ansteckender und aggressiver ist, würden die Patienten "in einem viel früheren Erkrankungsstadium, bereits in der ersten Erkrankungswoche", auf die Intensivstation kommen, außerdem seien sie jünger. Epidemiologin Rendi-Wagner fasst zusammen: "Die Erkrankung ist noch ernster und kritischer, als es früher der Fall war."

Zwei Zentimeter vor der Wand

Daher noch einmal ihr Appell: rechtzeitig gegensteuern, denn "je länger man mit Gegenmaßnahmen zuwartet, desto höher steigen die Zahlen, und desto schwerer und langwieriger wird die Bremsung, und umso härter sind die Maßnahmen, die man dafür benötigt." Sie denke dabei an gelindere Maßnahmen wie verstärktes Contact-Tracing, Reduzierung der Sozialkontakte, vermehrtes Homeoffice – "bis hin zur Rücknahme der verfrühten Lockerungen von Anfang Februar". Fakt sei: "Wir können nicht zuschauen, wie die österreichischen Intensivstationen kollabieren. Da muss man rechtzeitig gegensteuern. Und das kann nicht zwei Zentimeter vor der Wand sein, bevor man crasht."

"Alternativlos"

Ob ein neuerlicher Lockdown von der Bevölkerung überhaupt mitgetragen würde? Die Wahrheit sei jeden Fall "zumutbar", findet die SPÖ-Chefin. Letztlich sei die Entscheidung darüber "alternativlos". Das sei "keine Frage des Wollens", sondern eine faktenbasierte Entscheidung, "ob es das braucht". Niemand wolle einen neuen Lockdown, "aber noch weniger Menschen wollen, dass die Gesundheitsversorgung zusammenbricht".

"Unrund und zornig"

Was den schleppenden Impfprozess anlangt, sieht die SPÖ-Chefin nur einen Teil der Ursache bei den bekannten Lieferengpässen. Sie ortet zudem eine "mangelnde Vorbereitung" auf die ihrer Ansicht nach "größte historische Impfaktion". Dass die türkis-grüne Regierung eine dezentrale Impfstrategie gewählt habe, kann Rendi-Wagner nicht verstehen. Es sei "nicht einsehbar", dass es in Österreich neun verschiedenen Anmeldesysteme gebe – das mache die Menschen zu Recht "unrund und zornig". (riss, 19.3.2021)