"Wenn Mütter in Karenz gehen, hat man das als notwendiges Übel akzeptiert – bei Vätern nicht", sagt Florian S. Er klagte seinen ehemaligen Arbeitgeber auf Diskriminierung.

Foto: Heribert Corn

Florian S. kann sich an jede Schikane genau erinnern. Er sitzt auf einer Parkbank und blinzelt gegen die Sonne. Er erzählt ruhig davon, ähnlich einem Forscher, der das Erlebte nüchtern vorträgt, wie ein Studienergebnis. Es verletzt ihn offenbar nicht mehr. Aber ganz abgeschlossen hat er noch nicht. Er will seine Geschichte erzählen, damit eine breite Öffentlichkeit davon erfährt.

S. klagte seinen ehemaligen Arbeitgeber, die Raiffeisen-Leasing, auf "Diskriminierung aufgrund des Familienstandes" und bekam vom Arbeits- und Sozialgericht Wien recht. Ihm wurde gesagt, er soll der erste Vater sein, der so einen Fall gewonnen hat – konkrete Zahlen gibt es nicht. Laut Arbeiterkammer (AK) gibt es nur wenige solche Verfahren in Österreich. Auch der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) liegt die Anzahl der Gerichtsverfahren nicht vor. Brisant ist der Fall auch deshalb, weil in der Zeit, als S. diskriminierende Erfahrungen machte, die Raiffeisen-Leasing als familienfreundlicher Arbeitgeber vom Auditor Familie & Beruf GmbH ausgezeichnet wurde. Das ist ein staatliches Gütesiegel für familienfreundliche Personalpolitik, vergeben vom Bundeskanzleramt.

"Mir ging es in erster Linie um das Urteil", sagt S. Es ist Zeit, dass sich etwas ändert, findet er: "Spätestens wenn mein Sohn Kinder hat, muss es völlig egal sein, welches Elternteil sich um das Kind kümmern will." Das war auch der Grund, warum er den Fall unbedingt durchziehen wollte. Damit Arbeitgeber nicht so einfach mit Fehlverhalten durchkommen. Damit es andere Väter leichter haben.

Wie alles begann

Die Diskriminierung begann bald nach der Geburt seines Sohnes Ende 2012. S. wollte mehr zu Hause sein, doch der Vollzeitjob als Teamleiter in der IT ließ es nicht zu. Nach der einjährigen Karenz seiner Frau ging er zwei Monate in Väterkarenz, dann in Elternteilzeit. Diese war vereinbart, bis das Kind zur Schule geht (siehe Wissen). Die Reaktion der Chefs sei "nüchtern, vielleicht überrascht" gewesen.

S. wollte auf 30 Stunden reduzieren, doch der Arbeitgeber stimmte nicht zu. Stattdessen sollte er 37,5 Stunden arbeiten – ihm wurde aber zugesagt, dass er keine Überstunden machen müsse, Aufgaben abgeben könne und einen eigenen Parkplatz bekomme, um sich die lange Wegzeit in den Öffis zu ersparen. S. ging auf den Deal ein, die Aufgaben wurden aber nicht weniger, und er erhielt keinen Parkplatz, erzählt er. Ebenso hatte er das Gefühl, man habe bewusst Abendtermine angesetzt, die er wahrnehmen musste, aber zugleich das Kind aus dem Kindergarten holen sollte.

Wette um drei Flaschen Sekt

Nach einigen Monaten reduzierte S. seine Arbeitszeit auf 9,5 Stunden die Woche. Die Gleitzeitregelung erlaubte ihm, von 7 bis 17 Uhr zu arbeiten, doch sein Vorgesetzter war dagegen. Er wollte, dass S. bis 18.30 Uhr blieb, S. widersetzte sich und blieb bis 17 Uhr. Am ersten Arbeitstag der 9,5-Stunden-Woche wetteten S.’ Chefs bei einer Sitzung um drei Flaschen Sekt, dass er laut Gerichtsurteil – das dem STANDARD vorliegt – "um eine deutliche Anhöhung seiner Arbeitszeit ansuchen werde". Sie sahen laut Urteil das Familienleben "nicht als ernst zu nehmenden Grund" für eine Stundenreduktion. Da das Protokoll der Wette auch für Kollegen einsehbar war, wollten ihn die Chefs damit "erkennbar herabsetzen", urteilte das Gericht.

Eine "herabsetzende Sanktion" stellte laut Urteil auch die Versetzung dar, bei der S. Aufgaben bekam, die nichts mit der vorigen Tätigkeit zu tun hatten und zuvor von Praktikanten oder nur sporadisch erledigt wurden. Seine Vorgesetzten lachten oft über seine Aufgaben, erzählt S. Die Situation habe ihm auf den Magen geschlagen, er musste sich übergeben, fühlte sich vor dem Arbeiten unwohl. Als er wieder auf Vollzeit aufstockte, in der Hoffnung, es würde besser, habe sein Chef gesagt, dass er trotzdem die Aufgaben erledigen müsse, die die anderen nicht machen wollen, erzählt S. "Ich habe viel zu lange durchgehalten", sagt er rückblickend. Konkret waren es drei Jahre, zwei Jahre Elternteilzeit hätte er noch vor sich gehabt. S. kündigte und ging mit Beratung der AK vor Gericht.

Die Raiffeisen-Leasing bestritt laut Gerichtsurteil, Florian S. diskriminiert zu haben. Auf STANDARD Anfrage heißt es vom Unternehmen, man nehme zur Kenntnis, "dass es bei allen Bemühungen für eine Balance des Arbeits- und Familienlebens der Belegschaft in diesem Fall leider nicht gelungen ist, den Anforderungen des Mitarbeiters an seinen Arbeitgeber gerecht zu werden". Der Arbeitgeber habe sich auch nicht an den Betriebsrat gewandt. Unabhängig von dem Fall bemühte man sich um eine Anti-Mobbing-Betriebsvereinbarung und habe mittlerweile einen Anti-Mobbing-Beauftragten. "Seit Bestehen wurden an diese Stellen keinerlei Beschwerden herangetragen."

Alles genau dokumentiert

Im März 2020 gab es nach zweieinhalb Jahren ein Urteil. Sein Ex-Arbeitgeber ging nicht in Berufung und musste S. einen Schadenersatz von 3000 Euro brutto zahlen. Die AK hat den Betrag niedrig gesetzt, weil sie aufgrund früherer Prozesse nicht davon ausging, dass S. recht gegeben wird.

Sabine Wagner-Steinrigl ist Juristin bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Sie sagt, dass es mehrere betroffene Männer gibt. Doch viele lassen es nicht zum Prozess kommen, sondern einigen sich außergerichtlich. Es sei auch nicht leicht, Diskriminierung glaubhaft zu machen. "Dass man jede Bemerkung von Vorgesetzten, jeden Streit dokumentiert, ist selten." Genau diese Beweise halfen Florian S. vor Gericht. Er speicherte E-Mails, machte Screenshots vom Wettprotokoll, schrieb Gedächtnisprotokolle von Gesprächen.

Was sind die Gründe für solche Schikanen? Ein veraltetes Rollenbild, vermutet S. Sein Chef habe immer wieder betont, dass ein Kindergartenkind mitbekommen sollte, dass der Vater für das finanzielle Fortkommen sorgt. "Müttern wird auch nicht der rote Teppich ausgerollt, wenn sie in Karenz gehen. Bei meinem Arbeitgeber hat man das als notwendiges Übel akzeptiert – bei Vätern nicht."

Mittlerweile selbstständig

Auch für Juristin Wagner-Steinrigl sind veraltete Vorstellungen mitschuld an Diskriminierungen. Bei S.’ Fall – den sie in der GAW betreut hat – glaubt sie, "dass die Vorgesetzten tatsächlich verhindern wollten, dass weitere Kollegen auf die gleiche Idee kommen". Seines Wissens war S. auch der einzige Vater, der in Karenz gegangen ist. Überhaupt sind Männer, die zu Hause bleiben, die Ausnahme: Laut einer Mikrozensuserhebung der Statistik Austria von 2019 waren fünf Prozent der Väter in Elternkarenz.

Dass es eine Gesetzesverletzung ist, Angestellte wegen ihres Familienstandes anders zu behandeln, sei nur wenigen Arbeitgebern bewusst, beobachtet Wagner-Steinrigl. Viel öfter als Männer seien Frauen von Diskriminierungen betroffen – weil sie natürlich öfter in Elternkarenz gehen.

Vor einem Jahr hat sich Florian S. selbstständig gemacht – für ihn die "beste Entscheidung". Seine Termine kann er nun einteilen, wie er will, um seinen Sohn viel zu sehen. (Lisa Breit, Selina Thaler, 20.3.2021)