Bis heute existiert die Nervenheilanstalt Rosenhügel als Neurologisches Zentrum und als Teil der städtischen Klinik Hietzing. Sie wurde von der Rothschild-Stiftung errichtet.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Im Streit um Einfluss auf die Rothschild-Stiftung wird der Konflikt zwischen einem New Yorker Rothschild-Nachfahren und der Stadt Wien immer härter geführt. Wie berichtet geht es um jene 1907 gegründete Stiftung der legendären Bankiersfamilie, die in Wien zwei Kliniken für Nervenkranke errichtet hat: die Nervenheilanstalt Rosenhügel sowie das Maria-Theresien-Schlössel. 20 Millionen Kronen wurden in die Nathaniel Freiherr von Rothschild'sche Stiftung für Nervenkranke eingebracht, das wären heute rund 122 Millionen Euro.

Rothschild-Erbe Geoffrey R. Hoguet beklagt, dass nach der Wiedererrichtung der Stiftung nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr ein unabhängiges Kuratorium der Rothschild-Stiftung eingesetzt wurde, sondern der Magistrat der Stadt Wien. Hoguet wirft Wien eine "perpetuierte Arisierung", also eine Fortsetzung des Zustands nach der Arisierung, vor. Die Vorwürfe gegen die Stadt finden sich auch auf der Homepage rothschildstiftung.at .

Dagegen will die Stadt aber nun vorgehen. "Die Stadt behält sich rechtliche Schritte vor und prüft die auf der Homepage gemachten Vorwürfe rechtlich auf Ehrenbeleidigung und rufschädigendes beziehungsweise kreditschädigendes Verhalten", heißt es in einer Stellungnahme der Magistratsdirektion zum STANDARD. Im Impressum der Homepage werde Daniel Kapp angeführt, so die Stadt.

Einsetzung des einstigen Kuratoriums gefordert

Kapp ist ein Strategieberater, der auch für Hoguet tätig ist. Kapp gilt als ÖVP-nah – er legt aber Wert auf die Feststellung, dass in dieser Causa seine parteipolitische Nähe "völlig irrelevant" sei.

Hoguet hat seit Februar des Vorjahrs Gerichtsverfahren gegen die Stadt angestrengt. Im Kern geht es auch um die Wiederherstellung des einstigen zwölfköpfigen, unabhängigen Kuratoriums: Das Stiftungsstatut sah vor, dass das Kuratorium von Albert Freiherr von Rothschild und danach von dessen Rechtsnachfolger geleitet wird. Diese sollte auch das Nominierungsrecht für acht weitere Mitglieder haben. Die restlichen Plätze waren noch in der Monarchiezeit für den "Statthalter für Niederösterreich, den Landmarschall für Niederösterreich und den Bürgermeister der Stadt Wien" vorgesehen.

Hoguet sieht sich in der Rothschild-Stiftung als Rechtsnachfolger. Bei der Wiedererrichtung der Stiftung 1956 hat aber der Magistrat die Kontrolle über die Stiftung übernommen. Bis heute existiert die Nervenheilanstalt Rosenhügel als Neurologisches Zentrum und als Teil der städtischen Klinik Hietzing. Der Spitalsbetrieb im Maria-Theresien-Schlössel wurde 2002 auf die Baumgartner Höhe verlegt.

Stadt wehrt sich gegen Hoguet-Vorwürfe

Die Stadt meint hingegen: "Das Argument von Herrn Hoguet, er wäre als Nachfolge der Rothschild-Familie ein 'automatisches' Mitglied des Kuratoriums, stimmt nicht." Die vertretungsbefugten Mitglieder des Kuratoriums hätten nach dem Zweiten Weltkrieg "keinen Antrag auf Wiedererrichtung der Stiftung gestellt". Dazu muss auch gesagt werden: Alphonse Mayer von Rothschild, Vorsitzender bis 1938, musste flüchten und starb 1942 in den USA.

Zudem hätte laut Stadt die Stiftung mit eigenen finanziellen Mitteln die beiden Spitäler nicht mehr führen können. Vielmehr habe die Stadt die finanziellen Mittel zum Betrieb zur Verfügung gestellt. Laut Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) waren in der Stiftung schon 1938, also noch vor dem Kriegsbeginn und der Arisierung, nur noch umgerechnet 7,3 Millionen Euro übrig.

Außerdem heißt es vonseiten des Magistrats zum STANDARD: "Allein zwischen 1991 und 2005 hat die Stadt Wien jährlich rund zehn Millionen Euro für die Liegenschaften und den laufenden Betrieb am Rosenhügel und des Maria-Theresien-Schlössels investiert."

Kommissionsbericht bis Herbst

Im Vorjahr wurde im Wiener Landtag die Einsetzung einer Expertenkommission "zur Untersuchung der Geschichte" der Rothschild-Stiftung beschlossen, die konstituierende Sitzung fand Anfang September statt. Dem Gremium gehören Ilse Reiter-Zatloukal, Roman Sandgruber, Oliver Rathkolb, Ulrike Zimmerl und Gerhard Baumgartner an. Ein abschließender Bericht soll im Herbst 2021 vorliegen. (David Krutzler, 19.3.2021)