Über kurze berufliche Umwege bin ich im Jahr 1996 zum Kreditschutzverband von 1870 (KSV 1870) in Linz gekommen und habe als Insolvenzreferentin begonnen. Ich hab mir damals nicht vorstellen können, wie interessant diese Arbeit ist. Ich hab mir gedacht, da werden Schriftsätze gemacht, man geht zum Gericht, aber dass man aktiv was steuern und Unternehmen oder Privatpersonen helfen kann, war mir damals nicht bewusst.

Petra Wögerbauer (52) leitet seit 2020 die Region Nord (Linz und Salzburg) beim KSV 1870, dem ältesten Gläubigerschutzverband in Österreich.
Foto: Sabine Starmayr

2007 wurde mir die Leitung des Insolvenzteams in Linz übertragen. Seit Jänner 2020 bin ich für den Standort Linz und die Region Nord zuständig. Wir informieren Gläubiger von eröffneten Insolvenzverfahren und bieten die Vertretung an. Das machen wir sowohl bei Firmen- als auch bei Privatinsolvenzen. Wir melden die Ansprüche der Gläubiger an, nehmen alle Gerichtstermine wahr, machen Gläubigerausschusssitzungen et cetera. Dem Gläubiger ist dann alles abgenommen, was mit dem Insolvenzverfahren einhergeht. Der Gläubiger hat natürlich auch die Möglichkeit, das alles selbst zu machen. Das machen allerdings die wenigsten, weil allein schon die Forderungsanmeldung bei Gericht eine bestimmte Formvoraussetzung hat, die für Laien durchaus eine Hürde bedeuten könnte.

In Österreich gibt es vier Gläubigerschutzverbände. Der KSV 1870 ist der größte und älteste Verband. In dieser Form gibt es solche Verbände eigentlich nur in Österreich – und sie sind ein Erfolgsmodell. 70 Prozent der Privatkonkurse enden mit Zahlungsplänen, und ein Drittel der Firmeninsolvenzen endet mit einer erfolgreichen Sanierung des insolventen Unternehmens. Das ist eine Quote, die international ihresgleichen sucht. Ein Grund dafür sind die bevorrechteten Gläubigerschutzverbände, welche die Interessen der Gläubiger und Lieferanten bündeln und vertreten. Von Lieferanten aus Deutschland höre ich immer: ‚Da kommt eh nie was heraus, und es dauert jahrelang.‘ In Österreich ist das anders. Wenn der Sanierungsplan angenommen wird, ist der Betrieb in drei bis sechs Monaten entschuldet. Anders schaut es aus, wenn es zu keiner Einigung kommt und ein Konkursverfahren eröffnet wird. Das kann dann schon mehrere Jahre dauern. Privatkonkurse werden im Regelfall innerhalb von drei bis vier Monaten von der Eröffnung bis zur Aufhebung des Verfahrens abgewickelt.

Schlechtes Image

Ich höre oft: ‚Oje du arbeitest beim KSV 1870, das ist sicher sehr belastend‘. Aber genau das Gegenteil der ist Fall. Für mich ist es eine sehr lösungsorientierte Arbeit. Egal, ob bei Unternehmen oder Privatpersonen: Eine Insolvenz passiert nicht von heute auf morgen, sondern da liegt vieles dazwischen. Es gibt Exekutionen, dann kommt der Gerichtsvollzieher, es werden Stundungen vereinbart. Da ist durchaus ein gewisser Leidensdruck vorhanden. Aber zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ist dann die Lösung in Sicht. Vor allem bei Privatinsolvenzen kommen die Schuldner oft erleichtert zu Gerichtsterminen, weil sie wissen, hier wird an einer Lösung gearbeitet, die für alle Beteiligten sinnvoll ist.

Wir, als Vertreter der Gläubiger, haben keine Vorgeschichte mit dem Schuldner, wir kennen die Dinge, die sich vielleicht schon über Jahre im Hintergrund abgespielt haben, nicht. Wir gehen in die Verhandlung und sind weder sachlich noch emotional vorbelastet. Egal, in welcher Dimension sich eine Insolvenz abspielt – eine gewisse Verantwortung trägt man immer. Vor allem bei großen Firmeninsolvenzen steigt die Verantwortung noch um ein Vielfaches, denn hier geht es meist um sehr viele Arbeitsplätze, die man versucht zu retten.

Beruflicher Erfolg

Wenn man aber merkt, es ist ein Unternehmen, das schon in der Vergangenheit schlecht gewirtschaftet hat, wenn gravierende Mängel in der Organisation vorliegen und laufend kaufmännische Fehler passieren, dann ist es oft der einzige Ausweg, sich gegen eine Sanierung zu entscheiden. Vor allem wenn noch dazu der Eigentümer beratungsresistent ist. Schlechte Nachrichten zu kommunizieren ist dann ein weniger schöner Moment. Aber man hat dann doch im Hinterkopf, dass diese Entscheidung, langfristig gesehen, die bessere Lösung für alle Beteiligten ist.

Beruflicher Erfolg bedeutet für mich etwa eine gelungene Sanierung. Wenn ich merke, der Schuldner hat in der Zeit, in der er unter Aufsicht war, etwas dazugelernt – sei es eine ordentliche Kostenrechnung, ein vernünftiges Controlling –, dann sind das Erkenntnisse, über die ich mich freue. Es kommt durchaus vor, dass Firmen diese wichtigen Bausteine bisher einfach missachtet haben. Es ist auch sehr zufriedenstellend, wenn man Unternehmen eine zweite Chance ermöglichen kann und diese genutzt wird. Eine Insolvenz soll ja kein Stigma sein, sondern die Chance für einen Neubeginn – diese Denkweise muss in Österreich noch viel stärker implementiert werden.

Längere Frist

Und gerade jetzt wäre für finanziell angeschlagene Unternehmen ein guter Zeitpunkt, eine Sanierung anzustreben, weil der Gesetzgeber die Frist, in der die ausverhandelte Quote erwirtschaftet werden muss, von bisher zwei auf drei Jahre verlängert hat. Dass das nicht mehr genutzt wird, verstehe ich eigentlich nicht.

Abseits der fachlichen Skills ist Empathie für den Beruf sehr wichtig. Gerade bei Privatinsolvenzen sieht man oft viel Leid, wenn beispielsweise Frauen Bürgschaften oder Kreditverträge für ihre Männer übernommen haben. Mein Ziel ist es, dass der Schuldner seinen Fehler kein zweites Mal mehr macht. Da rede ich dann auch nach der Verhandlung mit der Person darüber, was sie daraus für die Zukunft lernen kann, damit sie nicht wieder in so eine Situation gerät.