Verkaufen oder nicht? Diese Frage spaltet scheinbar derzeit die Familie Tönnies, die den deutschen Schlachtkonzern leitet.

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Wien – Der deutsche Fleischfabrikant Tönnies hat es schon oft in die Schlagzeilen geschafft. Im Vorjahr hat ein Corona-Cluster im Unternehmen für ebensolche gesorgt, als 1.500 Werkvertragsarbeiter an Corona erkrankten. Es kam dadurch auch zu Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Tönnies. Nun denkt Geschäftsführer Clemens Tönnies scheinbar an einen Verkauf des Schlachtkonzerns. Ein Erlös von vier Milliarden Euro ist laut "Handelsblatt" im Gespräch. In den nächsten Wochen soll mit möglichen Bietern wie Tyson Foods aus den USA, JBS aus Brasilien und der chinesischen WH Group geredet werden.

Das 50 Jahre alte Unternehmen aus Rheda-Wiedenbrück prüfe seit längerem Optionen, heißt es. Die Zahlen sollen schon seit Monaten für einen Verkaufsprozess aufbereitet werden, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Bloomberg. Von den Beteiligten – Familie, Investmentbank – hieß es bisher nur "kein Kommentar".

Brief an die Belegschaft

In einem Brief an die Belegschaft pocht Clemens Tönnies jedoch auf den Führungsanspruch der Familie. Die Tönnies-Gruppe wachse, investiere und "geht in die nächste Generation", heißt es in einem Schreiben von Tönnies und seinem Sohn Maximilian an die Belegschaft, aus dem die Nachrichtenagentur Reuters zitiert. "Der Erfolg der vergangenen Jahrzehnte lässt uns nicht müde werden, weiterzumachen und in die nächste Generation zu starten", unterstreichen Clemens und Maximilian Tönnies in der Mitteilung: "Mit Maximilian ist die nächste Generation aktiv im Management, unser internationaler Expansionskurs geht Schritt für Schritt voran". Sie seien "bereit für die Zukunft im Unternehmen."

Zu den Verkaufsgerüchten erklärte Tönnies, dass "interessierte Gruppen" Verkaufsgerüchte streuten. Marktgerüchte kommentiere Tönnies aber nicht. Vielmehr sei es der Konzern, der seine Märkte aktiv gestalte, aktuell stark in Deutschland und international investiere und auf Expansion dränge: "Diesen Kurs wollen wir mit Euch gemeinsam fortsetzen."

Schwierige Verhältnisse

Ob damit die Verkaufsgerüchte aus der Welt sind, ist freilich offen. Der Konzern ist im Familienbesitz, und Konflikte gehören zum Geschäft. Zwischen Hauptaktionär Robert Tönnies (Sohn des verstorbenen Firmengründers Bernd Tönnies) und seinem Onkel Clemens Tönnies hatte es in der Vergangenheit immer wieder Streit gegeben. Unter anderem appellierte ein Konzernsprecher an Robert, "sich in der Tradition der Familie Tönnies der Sache des Unternehmens zu widmen". Clemens Tönnies, der im Mai 65 Jahre alt wird, kontrolliert etwa 45 Prozent der Anteile, bei Robert Tönnies liegen rund 50 Prozent. Auch mit diesen Streitigkeiten hat es das Unternehmen schon oft in die Schlagzeilen gebracht.

Im Konzern arbeitet auch Maximilian Tönnies, Sohn von Clemens Tönnies, der ebenfalls Gesellschafter ist und rund fünf Prozent der Anteile kontrolliert. Er war unter anderem mit der Expansion des Unternehmens im Markt für vegetarische Lebensmittel betraut worden. Tönnies ist dort unter anderem mit den Marken "Vevia" und "Gutfried veggie" vertreten.

Zu den Marken des Konzerns gehören auch Böklunder und Gutfried. Umsatz und Gewinn sollen 2020 den Insidern zufolge allerdings stark unter der Corona-Krise und den negativen Schlagzeilen gelitten haben.

Denkbar wäre, dass Clemens und Max Tönnies – möglicherweise mithilfe eines Investors – die Anteile ihres Neffen Robert übernehmen. Aber auch das umgekehrte Szenario wäre möglich, genauso wie ein Komplettverkauf.

Offener Konflikt

Onkel Clemens und Neffe Robert sind seit Jahren zerstritten. 2017 gab es eine Versöhnung, die mit einem Einigungsvertrag besiegelt wurde. Doch dieser "Westfälische Friede" hielt nicht lange. Beide Parteien gerieten immer wieder aneinander.

Robert Tönnies drängte laut "Handelsblatt" deshalb auf eine Trennung. Im Juli 2019 reichte er eine Schiedsklage gegen seinen Onkel und dessen Sohn Maximilian ein. Damit will er zeigen, dass das Verhältnis der beiden Parteien zerrüttet ist. In diesem Fall ist laut Einigungsvertrag ein Verkauf des Unternehmens möglich. Jeder Gesellschafterstamm hätte dann die Möglichkeit, sich einzeln oder gemeinsam mit anderen Interessenten am Verkaufsverfahren zu beteiligen. Über die Schiedsklage soll aber noch nicht entschieden worden sein, heißt es aus informierten Kreisen zum "Handelsblatt". Mitten im Corona-Ausbruch hatte Robert Tönnies seinen Onkel öffentlich zum Rücktritt aufgefordert.

50-Jahre-Jubiläum

Tönnies, der mit weitem Abstand größte deutsche Schlachtbetrieb, hatte mit mehr als 16.000 Mitarbeitern im Jahr 2019 eigenen Angaben zufolge einen Umsatz von 7,3 Milliarden Euro eingefahren. Er feiert in diesen Tagen 50-jähriges Jubiläum. Im Kerngeschäft befasst sich das 1971 gegründete und durch zahlreiche Zukäufe auch international gewachsene Unternehmen mit der Schlachtung, Zerlegung sowie Verarbeitung von Schweinen und Rindern. Tönnies ist unter anderem auch in China aktiv. Konzernsitz ist in Rheda-Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen.

Nach der Corona-Kritik am Unternehmen war Clemens Tönnies Ende Juni 2020 von seinem Posten als Aufsichtsratschef des Fußball-Bundesligisten Schalke 04 zurückgetreten. "Meine Hauptaufgabe ist es, mich aktuell voll und ganz auf mein Unternehmen zu konzentrieren, es erfolgreich durch die schwerste Krise seiner Geschichte zu führen", begründete Tönnies damals in einem Brief an den Verein den Schritt. (bpf, 19.3.2021)