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Im Juni 2020 wurde ein 1,9 Milliarden großes Loch in der Bilanz von Wirecard entdeckt.

Foto: Reuters/ MICHAEL DALDER

Berlin – Der Wirecard-Wirtschaftsprüfer EY hat im Untersuchungsausschuss zum milliardenschweren Finanzskandal keine Verantwortung für den Bilanzbetrug übernommen. Es seien im Unternehmen Täter mit hoher krimineller Energie am Werk gewesen, die auch Ernst & Young (EY) massiv getäuscht hätten, sagte EY-Vertreter Christian Orth am Freitag im Deutschen Bundestag. EY hätte sich natürlich gewünscht, bessere Arbeit zu machen und den Fall früher aufzudecken.

Wirecard war im Juni 2020 nach der Aufdeckung eines 1,9 Milliarden Euro großen Lochs in der Bilanz in die Pleite gerutscht. Es ist einer der größten Finanzskandale in der Nachkriegszeit. EY hatte jahrelang die Bilanzen des von Österreichern geführten Zahlungsabwicklers geprüft und grünes Licht gegeben, obwohl es Warnhinweise in einigen Medien und auch von Investoren gab. Neben EY stehen die Aufsichtsbehörde BaFin und das Finanzministerium massiv in der Kritik. Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft mehreren Ex-Managern von Wirecard unter anderem gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor.

Ex-Deutschlandchef: "Ein einzigartiger Fall"

Der abgesetzte Deutschlandchef von EY, Hubert Barth, sprach von einem "vorsätzlichen und systematischen Betrug" von wenigen Personen. So etwas sei nicht immer zu erkennen, auch nicht von Wirtschaftsprüfern. "Der Fall Wirecard ist ein Kriminalfall, ein einzigartiger Fall."

Die Bilanzprüfungen seien stets sorgfältig gewesen und hätten eine kritische Grundhaltung gezeigt. Wirtschaftsprüfer seien aber nicht die Kriminalpolizei und auch nicht die Staatsanwaltschaft. Finanzpolitiker aller Parteien sagten, EY hätte den Schwindel wesentlich früher erkennen können.

Auf Risiko vermerkt, Opposition kritisch

Orth erläuterte, der Wirecard-Abschluss für 2018 sei zwar von EY bestätigt worden, allerdings mit einem ergänzenden Vermerk, dass es Vorwürfe in Singapur und damit ein gewisses Risiko gebe. "Das war als Warnung an die Öffentlichkeit zu verstehen." Im Zusammenhang mit dem Abschluss für 2019 habe es in der Presse erstmals Vorwürfe zu fehlenden Treuhandkonten gegeben. Die Existenz dieser Konten sei EY aber bestätigt worden, Mitarbeiter seien dafür extra in die philippinische Hauptstadt Manila gereist, um sich vor Ort einen Eindruck zu machen. Erst am 20. Juni 2020 – und damit wenige Tage vor der Wirecard-Insolvenz – sei klargeworden, dass die Angaben zu den Treuhandkonten, auf denen die knapp zwei Milliarden Euro liegen sollten, falsch gewesen seien. Daraufhin habe EY sofort die BaFin und den Wirecard-Aufsichtsrat informiert. Allen sei klar gewesen, dass dem Unternehmen damit der Stecker gezogen werde.

FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar sagte Reuters, Orth versuche natürlich die Firma aus der Schusslinie zu nehmen. "Allerdings bleiben massive Zweifel, dass insbesondere die Testate der Jahre 2016 bis 2018 hätten erteilt werden dürfen." EY habe schon in diesen Jahren zu wenig nachgeforscht. Auch die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe äußerte sich kritisch: "Statt die Verantwortung der Wirtschaftsprüfer anzuerkennen, stilisiert sich Herr Orth zum Opfer." Alle hätten aber auf das Testat der Prüfer geschaut und sich darauf verlassen. (APA, 19.3.2021)