Das Spiel wurde vollständig aus Bleistiftzeichnungen in eine frei begehbare Spielwelt übersetzt.

Foto: Interactive

Manchen Spielen sieht man auf den ersten Blick an, dass sie etwas Besonderes sind. "Mundaun" zählt zweifelsohne dazu. Seit den ersten Bildern, die der Schweizer Solo-Entwickler Michel Ziegler von seinem Spiel veröffentlicht hat, ist die Erwartungshaltung groß. Ein Spiel, das vollständig aus Bleistiftzeichnungen in eine frei begehbare Spielwelt übersetzt wurde, gab es in dieser Art zuvor nicht; und auch das Setting, ein winziger Ort im schweizerischen Kanton Graubünden, machte neugierig auf dieses Projekt, das seit Ende 2014 in Arbeit ist. Nun ist "Mundaun" endlich erschienen. Die Wartezeit hat sich gelohnt.

MWM Interactive

Tod des Großvaters

Das First-Person-Abenteuer beginnt klassisch mit einer Anreise: Nach dem Tod des Großvaters kehrt der junge Curdin zurück zu seinem verwaistem Bauernhof auf dem Berg, um Abschied zu nehmen. Die Busfahrt führt über die Wolkendecke hinauf, wo eine in Schwarzweißtönen gehaltene Postkartenidylle aus Berg, Alm und strahlendem Sonnenschein eine gewisse Unheimlichkeit nicht verbergen kann. In den folgenden sieben Stunden Spielzeit ist man mit den Nachwehen eines mysteriösen, fatalen Pakts aus der fernen Vergangenheit beschäftigt, und der Horror zeigt sich in der Gestalt bekannter und auch obskurer Gestalten aus der Alpenfolklore.

Wie das rustikale Landidyll ins Surreal-Unheimliche kippt, hat mehr von literarischer Fantastik und gruseligen Novellen als vom altbekannten Horror, wie er sonst in Videospielen zelebriert wird – atmosphärisch ist das ein weiteres Plus in Sachen Originalität. Vertont ist das Spiel übrigens in der Minderheitensprache Bündnerromanisch. Wie unzählige, liebevolle andere Details trägt auch diese Entscheidung dazu bei, der Welt von "Mundaun" eine ganz spezielle Atmosphäre zu verleihen.

Diese Atmosphäre wird von einer spannenden, sich kontinuierlich steigernden Story mit mehreren möglichen Enden und überraschend abwechslungsreichem Gameplay unterstützt. Für sich betrachtet sind die einzelnen Tätigkeiten, die hier gefragt sind, eher nur Genrestandard und vor allem in Sachen technischer Umsetzung und Steuerung zum Teil etwas wackelig, doch das fällt während der kompakten Spieldauer angesichts der wechselnden Aufgaben wenig ins Gewicht. Es gilt, Rätsel zu lösen, Gegnern auszuweichen, Fahrten mit einem kuriosen Mini-Heupresswagen oder dem Schlitten zu genießen, man darf Kaffee kochen, und es gibt sogar eine Schusswaffe und Stealth-Mechaniken; langweilig wird es also nicht. In Sachen Komplexität und Schwierigkeit kommt "Mundaun" auch Nicht-Experten entgegen.

Die Atomsphäre lebt auch von den spannenden Figuren im Spiel.
Foto: Interactive

Was ist gelungen?

Was für ein Spiel: "Mundaun" ist optisch ein meisterhaft gestaltetes Einzelstück, das trotz monochromer Grafik großartig aussieht. Sprachausgabe, Musik und stimmiger Sound sorgen gemeinsam mit unzähligen liebevollen Details für eine absolut einzigartige Atmosphäre. Die spannende Geschichte vereint unheimliche Elemente der alpinen Sagen und Spukgeschichten mit surrealem Flair und einem immer wieder aufblitzenden subtilen Humor, der dem Ganzen etwas Leichtigkeit verleiht. Dass es hier nicht nur viel zu sehen, sondern auch in Sachen Gameplay viel zu tun gibt, wird alle erfreuen, die sich mehr als nur einen Walking-Simulator in grandioser Optik erhofft haben.

Was ist weniger gelungen?

Es gibt zwar viele kleine und größere Gameplay-Elemente, doch wer dem Look und der Atmosphäre wenig abgewinnen kann, wird sich vom Beschäftigungsangebot nicht versöhnen lassen: Einige Aktivitäten, wie das Schlittenfahren oder die Schusswaffenmechanik, sind zwar nett, aber eher schmückendes Beiwerk und vor allem nur spielerische Zuwaage zu einem letztlich sehr klassischen, linearen Adventure. Dessen Rätsel sind großteils logisch, doch hin und wieder irrt man unweigerlich auf der Suche nach dem erlösenden Geistesblitz durch diese Welt.

Auch Survival-Horror-Freunde sollten sich nicht täuschen lassen: Der Kampf gegen die Monster dieser Welt ist zwar möglich, aber dringend zu vermeiden.

Das Spiel ist ein klassisches Adventure mit einem interessanten Setting.
Foto: Interactive

Fazit

Wer originelle Spiele liebt, wird "Mundaun" allein wegen seiner einzigartigen Optik und seiner Atmosphäre zu schätzen wissen, doch auch Horrorfreunde auf der Suche nach einem ungewohnten Setting und kaum zuvor gesehenen Themen erleben hier eine positive Überraschung.

Dass dieses Spiel das Werk eines einzelnen Entwicklers ist, nötigt Respekt ab: Die Welt von "Mundaun" zu erforschen und sich in dieser ganz speziellen Atmosphäre zu verlieren ist ein besonderes Erlebnis, das kleinere Mängel absolut aufwiegt. Ein Spiel mit viel Herz und einem Alpensetting, das auch hier im Nachbarland große Emotionen auslöst – bei der Erinnerung an die im Hüttenmatratzenlager erzählten Gruselgeschichten vom Bösen in der furchterregenden Wildnis der Berge im Herzen Europas.

"Mundaun" ist für Windows, PS4, PS5, Xbox One, Series X/S ab 16,99 Euro erschienen; eine Version für Nintendo Switch ist in Vorbereitung. (Rainer Sigl, 21.3.2021)