Vulkane oder Wüstenstaub sind natürliche Feinstaubquellen. Doch Industrie und Verkehr vervielfachen die Menge und sorgen für schädliche Konzentrationen in der Luft.

Foto: Imago/ Benjamin Horn

Luftverschmutzung ist eine ernsthafte Gefahr für die menschliche Gesundheit. Feinstaub trägt neben anderen Schadstoffen wie Stickoxiden und Ozon erheblich zu dieser Belastung bei. Der Zusammenhang zwischen der Feinstaub-Konzentration in der Luft und akuten und chronischen Symptomen und Erkrankungen wurde in vielen Studien belegt. Wissenschafter haben nun erstmals die fotochemischen Vorgänge im Inneren kleinster Partikel in der Luft beobachtet. Wie sie berichten, bilden sich in diesen Aerosolen unter alltäglichen Bedingungen zusätzliche Sauerstoffradikale, die der menschlichen Gesundheit schaden können.

Feinstaub enthält in der Regel Metalle wie Kupfer und Eisen sowie organische Verbindungen. Er gelangt aus Quellen wie Verkehr, Industrie, Vulkanen oder Wüstenstaub in die Luft. Einmal eingeatmet, tauschen die winzigen Partikel in der Lunge Sauerstoffatome mit anderen Molekülen aus, wodurch reaktive Sauerstoffverbindungen entstehen. Diese stehen im Verdacht, Krankheiten wie Asthma, Lungenentzündungen oder Krebs zu verursachen und Allergien zu verstärken. Forscher wissen seit einiger Zeit, dass sich gewisse Sauerstoffradikale bereits in der Atmosphäre bilden können.

Höchste Konzentration bei 20 Grad Celsius

Ein Team um Peter Aaron Alpert vom Paul-Scherrer-Institut (PSI) in der Schweiz warf nun einen präzisen Blick ins Innere von Feinstaubpartikeln, die aus Eisen und organischen Verbindungen bestanden. Demnach bildete sich die höchste Konzentration von Sauerstoffradikalen bei alltäglichen Wetterbedingungen: bei einer mittleren Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent und Temperaturen um 20 Grad Celsius.

Für ihre Studie im Fachblatt "Nature Communications" entwickelten die Forscher eine Zelle, in der sich der Einfluss von unterschiedlicher Feuchtigkeit, Temperatur und Sonneneinstrahlung auf die Feinstaubpartikel simulieren lässt. "Mit dem Röntgenlicht der Synchrotron-Lichtquelle Schweiz (SLS) konnten wir solche Partikel nicht nur einzeln mit einer Auflösung von unter einem Mikrometer betrachten, sondern sogar in sie hineinschauen, während Reaktionen darin ablaufen", sagte Alpert.

Angereicherte Radikale

So ließ sich beobachten, wie die Feinstaubpartikel Sauerstoffradikale bildeten. Normalerweise würde ein größerer Teil dieser Moleküle in der Wärme der Sonne aus den Partikeln in die Luft entweichen – der Feinstaub würde dann ungefährlicher werden. Doch je nach Bedingungen blieben die Radikale in den Staubpartikeln gefangen und reicherten sich an.

Früher habe man angenommen, dass Sauerstoffradikale in der Luft nur dann entstehen können, wenn Feinstaubteilchen vergleichsweise seltene Verbindungen wie Chinone enthielten, erklärte Alpert. Die Ergebnisse der Studie würden dieser Annahme jedoch widersprechen.

Die Wissenschafter gehen davon aus, dass dieselben Reaktionen auch in Feinstaubpartikeln mit anderen Zusammensetzungen ablaufen könnten. "Wenn sich dies in weiteren Studien bestätigt, müssen wir dringend unsere Modelle und Grenzwerte bezüglich der Luftqualität anpassen", sagte Alpert. "Womöglich haben wir hier einen zusätzlichen Faktor dafür gefunden, dass so viele Menschen scheinbar ohne konkreten Anlass an Atemwegserkrankungen oder Krebs erkranken." (red, APA, 19.3.2021)