Foto von der Verhandlung im Dezember 2019: Richard Schmitt, sein Anwalt Dietmar Heck, Richter Jürgen Exner und ein Richteranwärter, Anwältin Maria Windhager und Helge Fahrnberger ("Kobuk").

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Das Oberlandesgericht Wien hat Richard Schmitts Klage gegen Kritik von "Kobuk"-Gründer Helge Fahrnberger an seiner Berichterstattung abgewiesen. Schmitt klagte wegen eines Tweets Fahrnberger auf Widerruf und Unterlassung, schon das Handelsgericht wies die Klage ab. Schmitt berief gegen die Entscheidung.

Fahrnberger, der die medienkritische Plattform "Kobuk" gegründet hat, kommentierte einen Bericht von Schmitt in der "Kronen Zeitung" und auf krone.at über die Gefährlichkeit von Radfahrern für Fußgänger 2018 auf Twitter: "Wenn der @RichardSchmitt2 was schreibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht stimmt, recht hoch. Wenn's um Verkehr geht, steigt sie gegen 100 %. #kobuk."

"Kritik an der tendenziösen Art"

Das Oberlandesgericht bestätigte nun das Handelsgericht: Der Tweet sei als "Kritik an der tendenziösen Art der Publikationen des Klägers – die sich auch aus dem festgestellten Sachverhalt ohne Weiteres ableiten lässt – und damit als Werturteil zu sehen, das sich einer zulässigen stilistischen Übertreibung bedient". Die zweite Instanz bestätigte auch, dass die Formulierung "für dritte Leser ohne Weiteres (unschwer) zu erkennen ist" und daher "nicht zu beanstanden".

Das Oberlandesgericht: "Gerade unter Berücksichtigung der Flüchtigkeit der Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken wie Twitter und der kurzen, oft pointierten und emotional gefärbten Gestaltung von Beiträgen folgt, dass für den durchschnittlichen verständigen Leser der Gesamteindruck und Sinngehalt der gegenständlichen Äußerung als überspitzt formulierte Meinung und persönliche Kritik sowie als Wertung der journalistischen Tätigkeit verstanden wird. Der Äußerung ist entgegen den Berufungsausführungen zwar auch, aber nicht ausschließlich eine tatsachenbasierte Kernaussage zu entnehmen."

"Kein Wertungsexzess"

Hier liege "weder ein Wertungsexzess vor, noch werden die Grenzen zulässiger Kritik überschritten". Die "tendenziöse Berichterstattung des Klägers" lasse sich "aus den vom Erstgericht diesbezüglich getroffenen Feststellungen ohne Weiteres ableiten".

Fahrnbergers Kritik lag auch für das Oberlandesgericht "ein ausreichendes Tatsachensubstrat zugrunde". Das Urteil: "Soweit sich die Berufung in diesem Zusammenhang darauf stützt, dass sich lediglich eine 'Fehlerquote bei jedem tausendsten bis eintausendfünfhundertsten Artikel des Klägers' ergebe, fehlt dem die Grundlage im festgestellten Sachverhalt."

Eine ordentliche Revision gegen die Entscheidung ließ das Oberlandesgericht nicht zu, es gehe nicht um grundlegende Rechtsfragen.

"Krone", "Oe24.at", "Exxpress.at"

Schmitt wechselte 2019 von "Krone.at" zu "Oe24.at" und Oe24TV. Vor wenigen Tagen gründete er als Chefredakteur und Gesellschafter mit der Unternehmerin und Juristin Eva Schütz das Onlinemedium "Exxpress.at", das er als "gehobenen Boulevard" definierte.

Medienanwältin Windhager: "Gezielte Einschüchterungsklage"

Die Wiener Medienanwältin Maria Windhager, sie arbeitet auch für den STANDARD, vertrat Fahrnberger in dem Verfahren. "Das war eine ganz gezielte Einschüchterungsklage", erklärt sie, "das Urteil des Oberlandesgerichts Wien ist daher ein sehr wichtiger Sieg für die Meinungsäußerungsfreiheit."

Schmitt habe argumentiert, dass der veröffentlichte Tweet eine unwahre Tatsachenbehauptung sei und den Eindruck vermittelt habe, dass der Kläger seiner journalistischen Sorgfalt nicht nachkomme. Das sei ehrenbeleidigend und kreditschädigend.

Windhager hielt dagegen, dass der Tweet "als scharfe und zugespitzte Medienkritik an seiner tendenziösen boulevardesken Berichterstattung im Allgemeinen und an seiner Verkehrsberichterstattung im Besonderen verstanden wird". Vor allem Schmitts "einseitige Verkehrsberichterstattung" halte "einer faktischen Überprüfung nicht stand", erklärt Windhager.

Schmitt sei als Chefredakteur nicht erst seit seiner Erwähnung im Ibiza-Video eine "public figure", also eine Person öffentlichen Interesses im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Meinungsfreiheit, "und muss sich daher deutlich mehr gefallen lassen". Dazu komme, "dass Schmitt selbst nicht zimperlich in seinen Äußerungen ist", resümiert Windhager. (fid, 19.3.2021)